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Eine Computergeschichte

Beitrag von Eigendau, am 25.06.2011
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Ende der 80er Jahre hatte jedes, und ich meine wirklich jedes, Kind einen Nintendo. Nur eines nicht.

Ich.

Soweit, so gefrustet.

Mein Vater, zu der Zeit tätig als Techniker in einem Büroshop, meinte nämlich, Nintendos machen Kinder dumm und außerdem sind Computer zum Arbeiten da und nicht für Spielereien.
Es begab sich dann, dass er eines schicksalhaften Tages einen C64 mit einem kleinen Schaden, zwecks Entsorgung, in die Werkstädte bekam.

Mein Vater hat den Brotkasten repariert (ein Orginal mit REV A Board) und mit nach Hause gebracht. Da der Maschine jegliches Speichermedium fehlte, landete die Maschine sodenn, mangels sinnvoller Nutzbarkeit, mitsamt einem Buch "Basic V2 für Einsteiger" bei mir (durch die Bastelleidenschaft meines Vaters hat unsere Wohnung immer ausgesehen wie eine Mischung aus Geräteschuppen von IBM und Elektroladen für patentierte Unsinnigkeiten).

Zarte 8 Jahre alt, war meinem computerspielfixierten Hirn auf jeden Fall eines klar: Das ist ein Computer, den kann man programmmieren. Schlussfolgerung: Programmieren = Spiele und wenn die Säcke mir keinen Nintendo gönnen, mach mir eben selbst ein Spiel.
Ein viel besseres, als alles was die anderen Kinder auf Ihren Nintendos haben und dann müssen die bei mir spielen und ich lass die warten bis sie drankommen dürfen (HARHARHAR).

Ich hab den 64er dann also an einen gammeligen, zu der Zeit 15 Jahre alten, tragbaren Minischwarzweißfernseher angeschlossen (auch ein Bastelprojekt meines Vaters) und damit unwissentlich eine lebenslange Freund/Feindschaft begründet.

Nun dummerweiße wird einem in "Basic V2 für Einsteiger" nicht erklärt, wie man den nächsten Prince of Persia mit Super Mario Elementen Blockbuster codet. Egal, wenn ich mal programmieren kann, schaff ich den Rest auch alleine und jetzt nag ich mich mal durch den Kram in dem Buch, so der Entschluss.

Sodenn, das Ende des Buchs naht (ich hab irgendwann sogar verstanden was ein Array tut) und wir schreiben unser erstes richtiges Programm. Eine glorreiche Stunde. Wohlgemerkt und wichtig, es gibt noch immer kein Speichermedium, meine Arbeit war also sehr vergänglicher Natur. Poetisch betrachtet könnte man sagen, es war vergängliche Kunst (Wie Worddokumente 2 Minuten vor Fertigstellung wenn man regelmäßig zu speichern vergessen hatte).

Das erste richtige Programmbeispiel, als Abschluss und zur Wiederholung des Gelernten, ist also eine Adressverwaltung.

Ich wusste mit 8 zwar nicht so richtig was ich damit anfangen sollte oder was der Nutzen von sowas ist, auch hatte sich die Anzahl meiner Freunde (die ich darin hätte anlegen können) in den Wochen davor, direkt proportional zum steigenden Computerwissen verringert, aber gut - man lernt daraus bestimmt was nützliches für ein Spiel.

Ich code das ganze Beispiel also nach, versuche auch möglichst zu verstehen, was ich da code und was warum auf was zugreift und so wird es langsam Abend.

Knapp vor Abschluss meines Programms und dem ersten Testlauf wird die elterliche Stimme laut. Auf gut Deutsch gesagt verlangt meine Mutter unerbittlich, dass ich ins Bett muss und ich muss mich mangels Anerkennung eigener Stimmrechte der Übermacht der resoluten Frau fügen.

Als ich mich sodenn gerade hinlege kommt meine Mutter ins Zimmer.

"Mama, Du darfst auf keinen Fall den Computer ..." zu spät.

Und wo ist hier der DAU?

Ich, weil ich aus dieser, mir vom Schicksal so eindeutig und unmissverständlichen erteilten Lektion nicht die Lehre gezogen habe, nie wieder einen "richtigen" Computer anzufassen, mein Taschengeld gespart und einen Nintendoe gekauft habe, um dann ein glückliches DAU Leben inkl. "dumme Frage beim Support stellen" angestrebt habe.
In der Folge durfte ich jahrelang Windows beim Abstürzen zusehen, wurde von jedem Hinz und Kunz gerufen wenn er bei seinem Computer "nichts gemacht hat" und brüte heute nächtelang (evolutionär vor 10 Jahren zu Linux aufgestiegen), wenn andere schlafen, über irgendwelchen Codes um dann zusehen zu dürfen, wie ebenjene, in Ihrer Einfältigkeit glücklichen, DAUs nichts besseres zu tun haben, als meine mühevoll erstellten Codezeilen bis an die Schmerzgrenze (und öfters erfolgreich darüberhinaus) zu quälen.

6 Monate später habe ich übrigens eine Floppy 1541-I bekommen - gebraucht, für 1500 Schilling.


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