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Warum einfach wenn's auch kompliziert (nicht) geht

Beitrag von TLM, am 15.09.2013
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Nachdem ich hier schon ein Weilchen mitgelesen habe, wollt eich dann doch mal anfangen, die besten Stories aus vier Jahren Forschungwahnsinn loszuwerden...

Zur Erklärung: Ich arbeite in einem wissenschaftlichen Institut, das sich mit allerhand Kleinkram beschäftigt – Atome, Kerne, Elektronen und so weiter. Mit Ausnahme der Verwaltung sind also alle Angestellten Ingenieure oder Wissenschaftler; gerade die Letzteren haben immer einen Dr. oder sind gerade dabei sich diese zwei wundervollen Buchstaben zu verdienen. Man sollte also meinen, dass die Leute sich eigentlich auskennen… Klein-TlM war hier also vier Jahre und ein paar Zerquetschte als Werkstudent in der Kernphysik angestellt; ist also weder Computer- noch Physikexperte.

Die meiste Zeit an diesem Institut habe ich mit einem Postdoc zusammengearbeitet, den ich hier mal Boss P nennen werde (wer den Film Cool Hand Luke kennt, wird verstehen, dass es keine Respektsbezeugung ist). Boss P ist ein typischer Kompetenz-Simulant und das, wenn auch sonst nichts, kann er gut. Ich hab zwei Jahre gebraucht, bis ich angefangen habe etwas zu merken. Und Boss P ist manchmal ein DAU. Und zwar von der Sorte, die ziemlich viel Ahnung haben, aber glauben, dass sie noch mehr Ahnung haben. Und dadurch oft mehr kaputt machen.

Es traf sich also vor ca. zwei Jahren, dass wir einen Computer für ein kleines Experiment an einem anderen Institut einrichten mussten. Dafür musste ein Datenaufnahmeprogramm auf den Rechner, auf dem das damals aktuelle Ubuntu lief, gespielt werden. Dieses Programm stammt von unserem Institut. Auf der Webseite gibt es die aktuelle Version zum Download und direkt daneben die aus vier sehr einfachen Schritten bestehende Installationsanleitung. Boss P gab mir nun also den Auftrag, dieses Programm herunterzuladen und zu installieren. Mit dem Knackpunkt, dass ich den sehr einfachen Schritt 3 durch einige wesentlich kompliziertere Schritte 3a bis 3f ersetzen sollte. Angeblich beziehe sich nämlich die dortige Anleitung auf das im Institut verwendete Debian und würde unter Ubuntu nicht funktionieren.
Nun war Klein-TLM damals noch nicht sonderlich vertraut mit irgendeinem Linux-BS und mit Ubuntu noch weniger und glaubte dem großen und erfahrenen Boss P auf’s Wort. Dennoch: Die Installation funktionierte nicht. Boss P gab den Tipp einmal die vorletzte Version des Programms zu versuchen, da die Neueste ja eventuell noch Fehler enthalten könnte. Wieder dachte TLM nicht groß nach und probierte tatsächlich alle älteren Versionen des Programms (waren so fünf oder sechs) aus, um immer wieder an derselben Stelle einen Fehler zu erhalten.
Irgendwann, es war mittlerweile Spätabend und ich arbeitete per SSH von Zuhause aus, rief ich also bei Boss P an und teilte meine Niederlage mit. Er versprach sich des Ganzen anzunehmen und daher ging ich pennen. Am nächsten Morgen dann die Überraschung: Immer noch kein Programm, nicht mal ein Ordner mit entpackten Dateien – er hatte es nicht mal versucht und hatte sich jetzt auch noch rar gemacht. Da erwachte in TLM endlich wieder der Widerspruchsgeist. Mich überzeugend, dass auch ja niemand mich bei so etwas Verbotenem sah, versuchte ich noch einmal das Programm zu installieren, diesmal nach der Anleitung auf der Webseite. Keine zwanzig Minuten später grinste mich das freundliche Logo des so lange vermissten Programms an…
Boss P habe ich eine leicht unfreundliche Nachricht hinterlassen. Daraufhin bekam ich ihn den Rest der Woche nicht zu Gesicht…



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