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Adrenalinkick 5 Uhr morgens

Beitrag von Adrenalinjunkie, am 14.09.2011
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Heute möchte ich Euch eine Geschichte erzählen, die mir vor kurzem passiert ist. Ich, normalerweise ein vernünftig und logisch denkender Mensch, oute mich hier zwar selbst als DAU, das ist mir aber irgendwie egal. Schließlich sind wir ja unter uns ...

Ich arbeite seit fast einem Jahr halbtags bei einem Dienstleistungsunternehmen. Die Firma bietet verschiedene Servicedienste an, unter anderem auch die Reinigung von Objekten wie Treppenhäusern, Büros, Geschäften usw. Mein Job besteht hauptsächlich darin, immer dann, wenn irgendwo kurzfristig Arbeitskräftemangel herrscht, einzuspringen. So war es auch vor kurzem, als ich einen Anruf vom Chef erhielt. Es war jemand krank geworden und deshalb musste "umdisponiert" werden. Ich sollte am nächsten Tag eine Tour, die ich schon mehrfach mit einem Kollegen mitgefahren war, das erste Mal allein fahren. Ich freute mich über das Vertrauen meines Chefs und versicherte ihm frohen Mutes, dass ich mir das zutraue. Schließlich kenne ich die Objekte und ich weiß was zu tun ist! Einige Zeit nach dem Telefonat kam ein Kollege bei mir zu Hause vorbei, um mir das Firmenauto mit den nötigen Gerätschaften sowie die Schlüssel für die Objekte zu übergeben.

Kurz vor 5 Uhr war ich am nächsten Morgen zwar allein , aber überpünktlich und gutgelaunt vor Ort beim ersten Objekt. Es handelte sich um ein mittelgroßes Geschäft für Farben, Tapeten und so'n Zeug in einem Gewerbegebiet. Es war früh am Morgen und stockfinster, die paar Lampen auf dem Parkplatz vor dem Geschäft waren nicht in Betrieb, weil noch kein Kundenverkehr herrschte. DAS war allerdings eine neue Situation für mich! Als ich das letzte Mal hier war, war es um diese Zeit schon fast hell. Genau wie es meine Kollegen auch immer bei diesem Objekt machen, hielt ich mit dem Transporter ca. 2 -3 Meter quer vor der Eingangstür. So, dass die Schiebetür auf der Beifahrerseite quasi direkt gegenüber der Eingangstür war, was das Ein- und Ausladen erheblich erleichtert. Wenn man die Schiebetür öffnet, geht im Laderaum die Beleuchtung an. Diese Lichtquelle reichte mir, um in einer Dose nach dem Schlüssel des Objekts zu suchen. Als ich ihn gefunden hatte und daran noch einen zusätzlichen Anhänger sah, fiel es mir wieder ein. Da war ja noch was - die Alarmanlage. Wie war das doch gleich? Das Ding an das kleine Kästchen neben der Tür halten, warten bis es piept und das war's. Und beim Rausgehen das gleiche Spiel, nur dass es zweimal piept. Oder war's doch umgedreht? Bei manchen Objekten ist es so, bei anderen anders. Ich war kurz etwas ratlos und kam dann auf folgende logische Schlussfolgerung: Im Moment ist die Alarmanlage scharf. Ich muss also das Teil nur ranhalten, und wenn's piept ist sie deaktiviert. Ist doch Wurscht, ob's einmal oder zweimal piept, oder? Ich muss nur dafür sorgen, dass ich nicht eventuell das erste Piepen überhöre und dann das zweite Piepen fälschlicherweise als erstes Piepen deute. Vorsorglich stellte ich also noch das Autoradio ab, das im Hintergrund laut vor sich hindudelte. Es war absolute Stille als ich den Schlüsselanhänger an das kleine Kästchen neben der Tür hielt. Es dauerte ein paar Sekunden, dann hörte ich deutlich ein leises, einmaliges Piepen. Irgendwie kam mir nur die Zeitspanne vom Ranhalten bis zum Piepen einen Tick zu lang vor. Aber was soll's? Es hat gepiept - No risk, no fun. Ich steckte den Schlüssel in's Schloss, schließe auf und will die Tür öffnen - es geht nicht. Das Schloss war zwar auf, unten und in der Mitte gab die Tür auch etwas nach als wolle sie aufgehen, nur oben schien sie zu klemmen. Nicht etwa, dass ich auf die Idee gekommen wäre, das Klemmen der Tür könnte irgend etwas mit der Alarmanlage zu tun haben, die hatte ich ja ausgeschaltet. Ich kam auch nicht auf den Gedanken, dass es eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit wäre, wenn die Eingangstür zu einem Großmarkt oben klemmt. Nein. In diesem Moment erinnerte ich mich nur sehr deutlich an die Balkontür in meiner Wohnung. Die klemmt genau so. Man muss nur kräftig drücken, um sie auf zu bekommen. Schlagartig war es vorbei mit der frühmorgendlichen Stille im Gewerbegebiet. Fast zeitgleich mit einem Knacken oben in der Tür beginnt eine Sirene direkt über der Eingangstür zu laut heulen. Das musste man meilenweit hören! Während ein paar Schrecksekunden mit entgleisten Gesichtszügen, spielte mir mein Gehirn ein paar Bilder Kopfkino vor: Blaulicht, Polizei, Chef aus dem Schlaf klingeln, wartende Kunden, lachende Kollegen und und und ... Erst die große Fresse und dann gleich beim ersten Kunden die die ganze Tour des Tages versaut. Als ich mich wieder etwas gefangen und das Licht eingschaltet hatte, sah ich direkt neben dem Lichtschalter eine Art Verteilerkasten mit vielen Knöpfen. Vielleicht ist ja einer zum Ausschalten des Alarms dabei? Nein! So'n Mist. Neben dem Kasten war noch ein weiterer Knopf. Ein dicker, großer, roter Button mit der Beschriftung "Interner Hausarlarm". Nee, mir reicht der 'externe'. Mir fiel ein, was ein Kollege mal zu mir gesagt hat: Im Falle eines Alarms wird von einer Zentrale aus in dem Objekt angerufen. Sollte ein Berechtigter versehntlich Alarm ausgelöst haben, kann das dann direkt mit einem Passwort geklärt werden. Ein Passwort wusste ich natürlich nicht, trotzdem begab ich mich in Erwartung des Anrufes zum Info-Stand. Ich konnte ja auch ohne Passwort wenigstens versuchen, den Alarm zu erklären. An der Info angekommen sehe ich da drei Telefone stehen. Alle drei geben keinen Ton von sich. Nur draußen heult nach wie vor die Sirene. Ich warte eine weitere Minute und langsam kommen mir Zweifel. Wie lange brauchen die denn, um eine Nummer anzufufen? Oder hat mein Kollege Mist erzählt und die rufen gar nicht an? Dann müsste ja zumindest die Polizei bald hier auftauchen. Ich schaute nach draußen ins dunkle Gewerbegebiet, ob irgendwo in der Ferne vielleicht schon blaues Lichtgeflacker zu sehen ist. Nein. Außer der heulenden Sirene draußen tat sich absolut nichts! Kein Mensch scheint sich für einen Alarm am frühen Morgen in einem gewerbegebiet zu interessieren. Was sollte ich denn nun machen? Den Chef wecken und fragen was ich machen soll? Bei der Polizei anrufen und fragen wo die bleiben? Plötzlich war es still. Kein Ton kam mehr von der Sirene. Einen kurzen Moment hab' ich wirklich gedacht, gleich kommen meine Kollegen um die Ecke und lachen sich kaputt. Aber nein, es blieb alles still. Nichts rührte sich. Ziemlich erleichtert dachte ich mir: 'Na gut, dann fange ich halt ganz normal mit meiner Arbeit an. Mal sehen ob sich noch irgendwas tut.' Ich ging also zurück in Richtung Tür, um die Geräte aus dem Transporter zu holen. Dummerweise war die Tür inzwischen von selbst wieder zu gegangen! Ich griff ich zur Klinke und versuchte vorsichtig die Tür zu öffnen. Nein! Die klemmt oben! Das darf doch nicht wahr sein! Die Situation war nun noch beschissener. Ich stand 'im' Objekt, die Tür geht nicht auf und draußen steht mit offener Schiebetür und eingeschaltetem Licht der Transporter! Soll ich kräftig ziehen und die Sirene geht wieder los? Vielleicht hab' ich ja Glück und es merkt wieder keiner. Oder soll ich den Chef wecken und sagen: 'Moin, ich hab' mich eingesperrt?' Oder soll ich einfach warten bis der erste Mitarbeiter des Marktes kommt und den Alarm von draußen abschaltet? Nicht mal mit meiner Arbeit konnte ich anfangen, die Geräte waren ja noch draußen auf dem Transporter. Ich hab's wieder getan - No risk, no fun. Kräftig gedrückt, es hat geknackt wie beim ersten Mal und die Tür war auf. Die Sirene blieb weiterhin stumm. Puh, ich war erleichtert. Um zu verhindern, dass die Eingangstür nochmal von selbst zu geht, stellte ich einen großen Blumentopf davor. Nachwievor gab es keine Reaktion an den Telefonen, weit und breit war auch keine Polizei zu sehen. Ich schnappte mir also meine Arbeitsgeräte und begann in der hintersten Ecke des Marktes den Fußboden zu wischen. Ich arbeiteitete mich systematisch durch das Objekt, dachte darüber nach was da gerade abgegangen war und fand die ganze Geschichte inzwischen schon lustig. Ich stellte mir vor, wie ich das meinen Kumpels erzähle und lächelte bei dem Gedanken vor mich hin. Schlagartig war das Lächeln wieder vorbei. Urplötzlich und ohne dass ich auch nur in der Nähe der Tür war, begann die Sierene draußen erneut zu heulen. Das kann doch nicht wahr sein! Wieder drehte sich das Gedankenkarusell. Ist das vielleicht doch mein Chef? Wollen die einen Stresstest mit mir machen? Oder tatsächlich versteckte Kamera? Nein. Nichts rührte sich. Es klingelte kein Telefon, kein Blaulicht war zu sehen, alles wie gehabt. Nur die Sirene jaulte in der Dunkelheit. Mist, was mach' ich denn jetzt schon wieder? Einfach weiter arbeiten? Ich stellte mir vor, wie die Polizei mit Blaulicht und vielleicht gezogenen Waffen ankommt und ich wische zwischen den Regalen in aller Ruhe den Boden. Da kam mir eine besondere Idee. Ich schnappte mir den Staubsauger, ging in den Bürotrackt und begann im Büro des Geschäftsführers den Boden zu saugen. Bei laufendem Staubsauger und geschlossener Bürotür konnte ich die Sirene nicht hören. Mein Plan war folgender: Wenn die Polizei kommt, dann stelle ich mich einfach dumm und sage: "Was? Die Alarmanlage? Kein Ahnung. Ich hab' nichts gemacht!", oder die Sirene hört von selbst wieder auf und keiner merkt's. Ich saugte also das Büro, von Zeit zu Zeit schaltete ich den Sauger kurz aus, ob ein Martinshorn zu hören ist. Nein. Nur die Sirene jault draußen. Auch im Büro des Chefs blieb das Telefon stumm. An diesem Tag habe ich das Büro sehr, sehr gründlich gesaugt. Als ich dann endlich fertig war, war es auch draußen wieder totenstill. Mittlerweile war ich mir sicher: Die Alarmanlage war immer noch scharf. Wieso bin ich eigentlich nicht einfach raus zu dem kleinen Kasten neben der Tür und halte den blöden Schlüsselanhänger dran? Keine Ahnung. Ich habe in diesem Moment anders geplant: Die Sirene läuft 5 Minuten, dann ist sie für ca. eine halbe Stunde still, danach dröhnt sie wieder für 5 Minuten. Das hieß für mich, ich habe noch ungefähr 20 - 25 Minuten um das Objekt fertig zu machen, bevor die Sirene wieder losgeht. Die Möglichkeit, dass sich doch noch irgendwie eine Zentrale oder die Polizei meldet, schloss ich mittlerweile aus. Ich musste es also nur schaffen, vor dem nächsten Alarm die Tür wieder von außen abzuschließen und zu verschwinden. Nach mir die Sintflut. Falls nachträglich noch etwas kommt gilt die bereits eingeübte Regel: "Alarmanlage? Kein Ahnung. Als ich dort weggefahren bin war alles noch in Ordnung. Ich hab' nichts gemacht!"

20 - 25 Minuten. Das war zu schaffen. Ich gab richtig Gas, nach knapp 20 Minuten war ich fertig. Schnell noch die Arbeitsgeräte raus, erst mal vor den Transporter, einräumen kann ich später. Hauptsache raus hier! Den Blumentopf wieder weggerückt, Licht ausgeschaltet, Schlüssel rein und Tür von außen zu. Mist! Was ist denn jetzt schon wieder? Dort oben, wo die Tür beim Reingehen geklemmt hat, geht sie jetzt nicht zu! Irgendwas scheint da oben dazwischen zu stecken und die Tür zu blockieren! So ein Mist. Ich versuch's mit kräftiger ziehen. Vorhin ist das Ding sogar von selbst zugegangen, jetzt zieh ich dran wie ein blöder, aber die geht nicht zu! Und jeden Moment kann die Sirene wieder losgehen! Das ist doch nicht zu fassen! Ich ging also wieder rein, machte das Licht an und betrachte mir die Tür einmal näher. Da war ein kleiner Bolzen oder Stift oder was auch immer, welcher aus dem oberen Teil des Rahmens ein paar Zentimeter nach unten heraus schaute. Dieser Bolzen blockierte die Tür, ließ sich aber mit dem Finger ganz leicht nach oben drücken. Wenn ich den Finger wegnahm, kam er nach einer kurzen Verzögerung wieder heraus. Die Logik sagt mir eigentlich, dass dieser kleine Bolzen bei eingeschalteter Alarmanlage und geschlossener Tür ein paar Zentimeter in der Tür versenkt ist, und so noch mal eine mechanische Verriegelung darstellt. Ich machte die Tür bis an den Bolzen zu, drückte ihn mit dem Finger nach oben, zog die Tür vorsichtig weiter und siehe da: sie schnappte zu. Ich schloss ab, räumte den Transporter ein und machte mich vom Acker. Was mir heute noch rätselhaft erscheint: Wieso ging die Tür, als ich drin am Info-Stand auf den Anruf wartete, trotz des Bolzens von selbst zu? Danach muss er ja wieder eingerastet sein - denn als ich wieder raus wollte, war die Tür wieder verriegelt. Mich wundert es auch, dass, trotz der zweimaligen Anwendung 'leichter' Gewalt der Bolzen nicht abgebrochen ist. Er hat zwar, als ich ihn zum Schluss betrachtet habe, ziemlich gewackelt und war leicht krumm, trotzdem hat ihm das offensichtlich nicht geschadet. Wie dem auch sei. Der Job war erfüllt, die Tür war wieder zu, nichts war kaputt. Meine Tour fuhr ich an diesem Tag normal weiter als ob nichts war und bis heute hat es kein Schwein gemerkt! Der Chef war zufrieden, die Kunden auch - ich kann es noch nicht fassen!


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