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SPAAAAREN hab ich g'sagt!

Beitrag von Florian, am 28.08.2009
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Meine Firma richtet Serversysteme für große Unternehmen ein und betreut sie dann. Vor ein paar Jahren haben wir ein solches System für einen Kunden aufgebaut. Hoher Rechenbedarf aber vor allem extreme Ausfallsicherheit waren gewünscht. Da echte Ausfallsicherheit ohne räumliche Trennung nicht möglich ist wurde also ein paar hundert Kilometer entfernt vom Hauptsitz ein weiteres System aufgebaut (nennen wir es S2), das im Notfall einspringen sollte falls das Hauptsystem (S1) nicht mehr kann.

Da S1 bereits hoch redundant ausgelegt war hatte S2 nicht wirklich was zu tun außer Strom zu verbrauchen. Um das finanziell erträglicher zu gestalten wurde Rechenleistung auf S2 an andere Firmen vermietet. Unser Kunde hatte da tatsächlich ein anderes Unternehmen (U2)aufgetan, das viel rechnen musste, bei dem es aber nicht auf ein oder zwei Tage beim Ergebnis ankam (keine Ahnung was die da gemacht haben). Solange S1 also prima läuft wird S2 vermietet. Geht was schief werden die Fremdprozesse auf S2 automatisch pausiert bis S1 wieder da ist. Für den Fall, das S2 längere Zeit nicht vermietet werden kann wurde eine Versicherung abgeschlossen.

Das ganze funktionierte ein paar Monate lang super, bis unser Kunde beschloss es müsse gespart werden. Damit alle (auch wie von der externen IT) das neue Konzept kapieren wurden Sparseminare veranstaltet. Bei den Seminaren hüpft ein Typ (nennen wir ihn Affe) im Anzug über die Bühne und schreit "Sparen Sparen Sparen". Am Ende des Seminars sollte dann jeder etwas sagen was seiner Meinung nach zu teuer ist. Und ich ahne es schon, einer kommt auf die Idee:

"Ja, da im Standort xxx stehen doch noch ganz viele Rechner rum, mit denen machen mir nix, die werden einfach vermietet"

Affe ist begeistert, erzählt wie viel Geld doch die böse IT immer verschwendet. Dann, ohne die Situation auch nur ansatzweise zu kennen, der Vorschlag:

Affe: "SPAAAAAAREN SPAAREN, verkauft die Rechner, die sind nur Balast, SPAAAAREN hab ich g'sagt!"

Oberchef war natürlich sofort begeistert "Das werde ich heute noch angehen". Hab versucht ihm die Sache zu erklären aber Affe hat mich nicht gelassen

Affe: "SPAAAAREN SPAAAAREN hab ich g'sagt! SPAAAAREN hab ich g'sagt! Sie sollen doch nur verschwenden SPAAAAREN hab ich g'sagt!"

Dann hat er mit einem Tennisball nach mir geworfen. Auf den Ball hatte er mit Edding "Sparen" geschrieben. Am Anfang seiner Vorstellung hatte er damit eine Dosenpyramide umgeworfen. Auf den Dosen stand "Kosten". Das fand er ganz toll. Das Ball prallte gegen meine Schulter und landete beim Kollegen der den Ball natürlich sofort an Affe zurückzugeben hat. Affe war dann ein paar Sekunden damit beschäftigt sich die Schulter zu halten und die anderen Zuhörer versuchten ihr Lachen zu unterdrücken. Das Unglück ließ sich aber nicht mehr vermeiden.

Bereits am nächsten Tag war folgende Lösung gefunden: S2 wird verkauft. Dafür wird ein Vertrag mit einem Anbieter abgeschlossen, der Rechenzentren bei Bedarf vermietet. Diese Rechenzentren sind geteilt und man darf sie nur solange nutzen wir wirklich nötig. Extreme Kosten bei Überziehung verhindern zu lange Nutzung. Das heißt S1 müsste im Notfall binnen weniger Stunden wieder laufen, auch im Fall einer Totalzerstörung. Eigentlich sollte der gemietete Rechner weitervermietet werden an U2 (wie gehabt), aber das ging nun natürlich nicht.

Mit U2 gab es aber einen langfristigen Vertrag über die Nutzung von S2. Die Vertragsstrafe war enorm. Natürlich fehlten auch die Mieteinnahmen von U2 aber das konnte man innerhalb der fünf Minuten Planungszeit wohl nicht berücksichtigen. Ferner war Kunden und Versicherungen wohl zugesichert worden, das immer ein eigenes zweites Rechenzentrum besteht. Die waren natürlich auch nicht begeistert was zu weiteren Verlusten führte.

Natürlich waren wir das alles Schuld. Der Vertrag mit uns wurde dann fristlos gekündigt. Als Grund wurde massives Fehlverhalten unsererseits angegeben. Aus einem Brief:

"Nachdem Herr x den Ball nach Herrn y geworfen hatte hat Herr z diesen auf Herrn x zurückgeworfen in der Absicht diesen an der Schulter zu treffen"

Also kurz: "Der hat zuerst zurückgeschlagen". Sahen die Zivilgerichte etwas anders also sie über das plötzliche Ende des Langzeitvertrags zu entscheiden hatten => Nochmal erhebliche Mehrkosten. Herr z hat mir übrigens glaubhaft versichert dass er nie die Absicht hatte Affe an der Schulter zu treffen. Er habe auf den Kopf gezielt. Was man von unserem alten Kunden so hört hat man erstmal versucht ob alles auch ganz ohne IT geht. Nach dem Verlust von etlichen Kunden und immensen Geldbeträgen wurde dann irgendwie eine interne IT aufgebaut.

Warum ich das jetzt schreibe? Der Kollege der damals den Ball zurück geworfen hat verfolgt das Schicksal unseres alten Kunden immer noch (Hobby). Er hat mir eben eine Mail geschrieben dass Affe jetzt Abteilungsleiter bei U ist (natürlich mit eigener Presseerklärung, warum auch immer). Auf einem Presseportal fand ich durch Suche nach dem Namen unseres Ex-Kunden folgende Mittlungen, in dieser Reihenfolge

* Affe neuer Abteilungsleiter von Unternehmen U [Die übernommene Presseerklärung]
* U muss nach Verlust zahlreicher Kunden 300 Mitarbeiter entlassen [von einer Wirtschaftszeitung]
* U veröffentliche Gewinnwarnung [Börsenticker]

Aber Hauptsache gespart!


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