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Wenn Kryomagneten quenschen...

Beitrag von baserv, am 25.08.2008
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Bei der NMR-Spektroskopie nutzt man Kryomagnete, mit flüssigem Helium unter Sprungtemperatur gekühlt. Dabei kreisen 40 Ampere in einer Spule mit einigen zehntel mm Durchmesser. Man hat ein 7 T starkes Magnetfeld für ein paar 100 € im Jahr. Es muss aber regelmäßig aufgefüllt werden, den sobald der oberste Spulenteil rausschaut, tut der Magnet quenschen, d.h. das Helium verdampft schlagartig, die gesamte Energie wird mit einmal frei, einige 1000 l gasförmiges Helium schießen raus und es dampft gewaltig. Das neue befüllen und runterkühlen sowie aufladen mit Starkstrom kosten dann etwas 20.000 €

Ich bin Student und unser Prof erzählte uns mal folgenden Geschichten:

Es werden bestimmte Einfülllanzen mit einem bestimmten Ventil benutzt, so dass beim Einfüllen das Helium nicht zu sehr brodelt, weil es sonst zum quenschen kommen kann.
Es kam, wie es kommen muss. Die Firma hatte einen falsches Einfüllventil geliefert. Es bildete sich eine Gasblase, es dampft gewaltig und der Mitarbeiter steht in einer Dampfwolke da.

Es stand ein Umzug in ein neues Gebäude an. Magnet ablassen? Nein, viel zu teuer, also riskiert, man es. LKW gemietet und in einer Nacht- und Nebelaktion im Schritttempo die paar Kilometer gefahren. Vorne, links und rechts ein Auto, damit es gar keine störenden Magnetfelder durch schnell vorbeifahrende Autos gibt. Und siehe da, man hatte es geschafft. Der erste erfolgreiche Umzug eines Kryomagneten weltweit? Denkste! 4 Wochen später hat es trotzdem mal wieder gedampft. Wie es heißt aus unerfindlichen Gründen.

Aber mit Abstand die beste Geschichte:
Der Magnet ist zur Isolierung mit flüssigem Stickstoff umgeben. Es wird vor dem Nachfüllen mit Stickstoff gespült. Da geschah es, dass ein unvorsichtiger Mitarbeiter die Kraft des Magneten unterschätzt, er zu nah mit der Stickstoffflasche am Magneten vorbeifährt. Es kommt wie es kommen muss. Die Flasche wird aus ca. 75 cm angezogen, nimmt immer mehr Fahrt auf, es knallt. 3 gestandene Männer versuchen nun die Gasflasche (eine große, 2 m) vom Magneten weg zu bekommen. Durch die Störung quenscht der Magnet, das Sicherheitsventil schießt nach oben, 3 Männer stehen in einer Dampfwolke und einer versucht verzweifelt, die Verschlusskappe drauf zu bekommen, ohne Erfolg und mit Kälteverbrennungen an der Hand.

Man sieht noch immer das Loch in der Decke, wo das Sicherheitsventil stecken blieb. :)

Zum allem Überfluss wurden auch noch alles Messleitungen und Regelleitungen der Ausgleichspulen abgeschert. Es mussten ca. 40 haarfeine Golddrähte per Hand verlötet werden.

Bitte nicht hauen. Meine erste Geschichte.

MfG baserv



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