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OT: Der lange Weg einer Leiterplatte

Beitrag von bofh666, am 15.06.2006
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Moin,

auch diese Story ist schon etwas länger her, aber sie verdient es aufgezeichnet zu werden (zumal solche Dinge bestimmt noch heute passieren). Es war auch weniger EIN DAU beteiligt, sondern mehr ein DAK (dümmster anzunehmender Kunde).
Ich war zu diesem Zeitpunkt bei einer kleinen, aber feinen Firma beschäftigt, die ihre Brötchen mit der Herstellung von Leiterplatten (neudeutsch "PCBs", printed circuit board) verdiente.
Eines Freitag morgens rief der Entwicklungsleiter eines grossen deutschen Konzerns an, und bestellte 1000(!) Leiterplatten - Lieferung ASAP, die Dinger MÜSSEN Montag morgen beim Kunden sein!
Nunja, kein Problem, wenn der Kunde zahlt, tun wir (fast) alles, also kurz den Preis mitgeteilt - er schluckt zwar etwas, aber akzeptiert, Hauptsache wir liefern rechtzeitig, alles andere ist egal. Ich hab ihn dann gebeten uns die Daten zu schicken, und meinen Chef benachrichtigt, der über den Auftrag (natürlich) hocherfreut war - immerhin Eilservice, und dann noch übers Wochenende, das bringt Geld in die Kasse.
Also warten wir auf die Daten (sollten per Mail geschickt werden). Es wird Mittag, es wird nachmittag, Chef wird langsam ungeduldig - Rückruf beim Kunden, nein, Daten sind raus, müssten lääängst da sein...
Gegen 15 Uhr dann auf einmal ne neue Mail, die lang ersehnten Daten - ein Blick in den Mailheader: Die Mail lag 6 Stunden(!) auf dem Mailserver des Kunden rum, und ist dann in ein paar Minuten zu uns gereist. Alleine das wäre schon einen kleinen DAU-Award wert, aber es kam noch besser:
Wir haben unsere Produktion angeschmissen, und das Paket mit den fertigen Platten ging am Samstag auf die Reise.
Mittwochs ein erboster Anruf des Kunden: Wo sind die Leiterplatten?? Er hat nix, obwohl zugesicherter Termin, produktionsausfall, blabla. Erstmal den Kunden beruhigt, und unseren Spediteur angerufen, nachforschen was passiert ist:
Der Fahrer hat versucht das Paket am Montag morgen auszuliefern, wurde aber leider nicht aufs Gelände gelassen da er keinen Personalausweis(!) dabei hatte - das Paket ist zurück zu uns unterwegs, Annahme verweigert.
Kam auch kurz drauf an, und wurde gleich wieder losgeschickt, natürlich unfrei (der Kunde hatte das zähneknirschend akzeptiert, war ja schließlich nicht unser Problem).
Ok, war's das jetzt? Nein, am Freitag wieder ein Anruf, die Leiterplatten sind immer noch nicht da! Wieder Rücksprache mit der Spedition, doch, alles abgeliefert, der Fahrer hatte seinen Pass dabei und durfte rein.
Ratlosigkeit beim Kunden, bis, ja, bis das Paket gefunden wurde: Die interne Qualitätssicherung des Kunden hatte es eingesackt + gesperrt, Begründung: Die Leiterplatten sind nicht elektrisch geprüft, und was nicht geprüft ist, kommt nicht rein, sagt die ISO. Alle Diskussionen brachten nix, auch der Hinweis daß wir wohl kaum in ein paar Stunden 1000 Leiterplatten nicht nur herstellen sondern auch noch testen können, und daß es sich hier um einseitige Platten mit fast fingerbreiten Leiterbahnen handelt, die man durch Draufkucken testen kann fruchtet nicht - die ISO ist Gesetz, und gesetze müssen eingehalten werden!
Also wurden die leiterplatten (natürlich auf Kosten des Kunden) per Eilservice wieder zu uns geschickt, wir haben das Wochenende mit testen verbracht (also wieder Zuschläge kassiert), und am Montag morgen hatte der kunde endlich die ersehnten Leiterplatten in Händen.

Fazit: Er hat schonmal den dreifachen Preis bezahlt, plus zweimal Wochenendzuschlag, plus dreimal Frachtkosten - und das bei normaler Lieferzeit von 10 Tagen...

Ich enthalte mich mal jeglichen Kommentars dazu, :-)


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