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Polnische Faxen

Beitrag von Chlodwig, am 30.03.2006
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Natürlich war mit http://www.daujones.com/detail.php?usrid=6183 der Fall nicht erledigt. Wie auch? Da ich mal nicht davon ausgehe, daß der Fakir meine Addresse richtig behalten hat, aber doch der Hoffnungsschimmer glimmt, daß er VIELLEICHT zumindest den Provider richtig erkannt hat, bitte ich den dafür zuständigen Admin mir doch Zugang zum "Unzustellbar" Ordner zu verschaffen.

Klar guckt er blöd. Klar weiß ich was in dem Ding los sein wird (große Firma, "Unzustellbar" Ordner -> Spam ole!). Aber was soll ich machen, das Mail mit dem Formular ist nicht angekommen und das "leechen" der Seite war auch nicht sonderlich ergibig und eine Milliarde Spammails durchsuchen geht schneller als 'ne Unterhaltung mit der indischen Supporterfamilie.

Knapp 2 Millionen Mails später find ich die Nachricht des Gurus. Meine Adresse ist vorname.zuname@firma.land. Wohin schickt's der Spezialist? An vornamedotzuname@firma.land.

Natürlich. Hätt ich ja auch dran denken und mir ein entsprechendes Alias basteln können...

Wurscht. Link in den Browser kopiert, hurra, ich hab mein Formular! Naja, fast zumindest. Da mein Arabisch/Suaheli/Himmelwasfürnesprachesolldasdennsein nicht so prall ist, fang ich nicht viel damit an.

Nochmal den indischen Tempeltanz um die goldene Kuh? Blick zur Uhr... nein, geht sich nicht aus, bis Feierabend nur mehr 6 Stunden.

Auf die Fähigkeiten des Admins der Herstellerseite (bzw. den Mangel daran) vertrauend klopf ich mal den Pfad der Datei ein, ohne Dateinamen. Bingo! 'n Schwung Formulare in diversen Sprachen.

Ja, NATÜRLICH auch auf Deutsch! Warum nicht, nur weil er mir den Link zu dem auf Kretinistisch schickt?

Deutsches Formular rausgeholt, in Word importiert (damit's nicht behaupten unser Gekrakel kann keiner lesen), dort ausgefüllt, ausgedruckt, gefaxt (Jo klar wär's per EMail sinnvoller. Das würde Zeit sparen, sowohl uns als auch ihnen, wäre wesentlich weniger fehleranfällig und würde weniger Papiermüll produzieren, und sowas kömma nun WIRKLICH nicht brauchen! Und ja, aus Word kann man THEORETISCH faxen. Falls einer unseren Telekommunikationsspezialisten beibringen kann wie man das macht so daß auf der Gegenstelle irgendetwas Lesbares ankommt zahl ich ihm ein Bier!).

Beeeep, brrrrzt, ratata, Fax schnurrt ab (hey, die Faxnummer funktioniert sogar! So schnell verlierst 10 Euro...). Gut. Erledigt. Ich warte auf 'n Bestätigungsfax, oder 'ne Mail, zur Not auch einen Anruf (nur bitte nicht wieder vom Hindukush), von mir aus Rauchzeichen, ich nehm auch 'ne Rohrpost an'n Schädel oder 'nen Meldereiter. Aber nix.

Lassen wir mal 'ne Stunde verstreichen. Dann rufen wir mal bei der Nummer an, die als Telefonnummer auf dem Faxformular steht, und bereiten wir uns schon mal seelisch auf die gepflegte Konversation mit Meditationstherapie von gestern vor.

Es tutet im Telefon, und so nach knapp 30x Läuten (Hartnäckigkeit wird belohnt) hebt auch tatsächlich jemand ab und etwas eher Unfreundliches schallt aus meinem Hörer. Kann auch sein daß es freundlich war, nur wenn viele Konsonanten darum streiten wer heute den Vokal im Wort spielen darf klingt's für mein Ohr eher ungut.

Freundlich frag ich (einmal auf Deutsch, einmal auf Englisch) mit wem ich's denn zu tun hab. Dann kurz Stille auf der anderen Seite, gefolgt von hektischem Konsonantenwerfen, allerdings dem Vernehmen nach bin nicht ich Ziel der Verbalattacke, weil ein ziemlicher Haufen Konsonanten von einer anderen Stimme zurückgeschossen wird. Diese meldet sich kurz darauf, in Deuts... naja, in sowas ähnlichem wie Deutsch. Kann sich wer an "Switch - Deutsche Welle Polen" erinnern?

Jo, so in etwa. Zwischen der Ansagerin der Deutschen Welle Polen und mir entspann sich in etwa folgender Dialog:

DWP: "$firma Kundendienst, Sie sprechen Deutsch."
I: (ich schon...) "Ja, bin ich bei $firma reparaturservice?"
DWP: "Ja, Zentral."
I: "Na dann, bitte die Reparaturabteilung."
DWP: "Ja, Büro?"
I: (Woswasi... einer der halt versteht wenn ich quatsch): "Büro, gut."
DWP: "Verbinden, bleiben Sie dran"

Mach ich doch glatt. Ist ja nicht meine Kohle, außerdem isses Arbeitszeit! Was ich nicht wußte ist, daß "Verbinden" polnisch für "Auflegen" ist.

Wieder wählen, wieder Tuten, wieder Konsonantenschlacht gegen mein Ohr. Warum sich bei der deutschen Hotline jemand auf Polnisch (oder Tschechisch?) meldet wird mir zwar so bald keiner erklären können, aber sei's mal drum. Wieder mein redliches Bemühen um die Völkerverständigung, wieder kommt Deutsche Welle Polen zum Telefon gedackelt.

DWP: "Sie nicht wollen Büro?"
I: "Doch schon, Verbindung war plötzlich tot."
DWP: "Oh. Nochmal verbinden mit Büro?
I: Ja, bitte verbinden Sie!
DWP: Ich verbinden, Sie bleiben dran!"

Jawoll, Frau Feldwebel! Diesmal tutet's auch brav, kurz darauf meldet sich eine Männerstimme mit dem sanften Tonfall, der irgendwo zwischen Josef Stalin und Bennito Mussolini angesiedelt ist. Ich dreh mal meinen Apparat um die Hälfte leiser, behandel kurz meinen Hörsturz und frag nach dem Fax. Es folgte folgendes Verhör, in durchaus brauchbarem Business-Deutsch:

Josef Stalin: Welches Fax?
Ich: Wir haben ihnen eines geschickt, wegen unseres Streamers.
JS: Welcher Streamer?
I: Der der kaputt ist.
JS: Kaputt? Warum? Was ist kaputt?
I: Der Streamer ist kaputt. Funktioniert nicht mehr, warum weiß ich nicht.
JS: Warum nicht?
I: (jo bin ich Euer Techie oder was ist hier Trumpf?) Weiß ich nicht. Bin kein $firma-Techniker.
JS: (erstaunt bis verärgert) Was soll das heißen?
I: (oh ah, es dämmert mir was...) Bin ich richtig in der Reparaturannahme von $firma? Ich bin kein Mitarbeiter, sondern Ihr Kunde.
JS: Reparatur? (Eine Mischung aus Indignation und Gekränkt Sein mischt sich in die Stimme) Nein. Sie sprechen mit der Bereichsleitung.
I: (Dem Tonfall nach hätte ich eher auf Führerbunker getippt. Jetzt gaaanz ruhig, bloß keinen bewaffneten Konflikt heraufbeschwören, unsere Beziehungen zu Polen haben sich ja schon fast normalisiert, jetzt ist Diplomatie gefragt und Deeskalation...) Oha. Sorry, dann hat mich die Vermittlung wohl falsch verb...*tuuuuuuut*

Derartig abgewürgt bin ich versucht, die Deeskalationsversuche einzustellen. Rufen wir doch gleich nochmal bei Deutsche Welle Polen an!

DWP: (leicht genervt) "Ja ich habe Sie verbunden!"
I: Aber mit Ihrer Verwaltung!
DWP: Ja Sie wollten Büro!
I: Hören Sie, ich habe ein Fax geschickt wegen unseres Streamers. Und ich will wissen was...
DWP: Fax? Moment, Sie bleiben dran!
I: (Jawohl Frau General)...
DWP: Fax ist hier, aber Fax ist hier falsch. Fax müssen Sie schicken an Reparaturstelle.
I: (Ahgeh) Ja, ist die Nummer falsch?
DWP: Ja, müssen Sie schicken an $nummer
I: Danke.

Ich nehm dem Kollegen die 10 Euro wieder ab (die Wette ging schließlich darum ob die Nummer stimmt! Wir einigen uns auf Unentschieden) und schick das Fax an die Nummer, die mir von Deutsche Welle Polen genannt wurde.

WIE SCHWER IST ES BITTE auf ein Formular die RICHTIGE Faxnummer zu schreiben?

Nachdem auch darauf keine Antwort kam, hab ich mir aus der Faxnummer die zugehörige Telefonnummer zusammengereimt (Klappe weglassen und paßt) und mal auf gut Glück angerufen (was schert's mich, ist 'ne Gratisnummer).

Es meldet sich ... richtig geraten. Deutsche Welle Polen.

DWP: (Mischung sämtlicher 21 Konsonanten des Alphabets unter heftiger Verwendung einiger Rs als Vokalersatz)
I: (Flehentliches Ersuchen um Verwendung einer germanischen Sprache).
DWP: (erstaunt) Sie? Ich habe Ihnen Faxnummer gesagt!
I: Richtig. Ist aber nix retourgekommen.
DWP: Warum?
I: Keine Ahnung, (meine Kristallkugel ist gerade in der Reinigung) aber da kam nix retour.
DWP: Sie warten!
I: (Zu Befehl!) Gut.

Es vergeht genug Zeit um einen Baum zu pflanzen, ein Kind zu zeugen und einen Rohbau hinzustellen, inklusive Wärmedämmung...

DWP (erstaunt. Kein Witz, sie war ERSTAUNT!): Sie noch da?
I: Zu meinem Leidwesen, ja.
DWP: Wir können Fax nicht lesen.
I: (häh?) Wie jetzt?
DWP: Sie müssen normal ausfüllen.
I: (normal ausfüllen... aha, vielleicht mag sie unsere Idee mit dem Word-Dokument nicht) Aha. Gut, ich schick's nochmal.
DWP: Gut. *klick*

Also meine Klaue, die schon allein für sich genommen für die Zulassung zum Medizinstudium hinreichend wäre, soll lesbarer sein als ein Computerausdruck. Wieder was gelernt. Na vielleicht weil unser Fax keine Übertragung in Farbe (und bunt) zuläßt... Egal, der Pole ist König (auch wenn lt. BILD jetzt wer anders Papst ist). Formular ausgedruckt, Schreiber gesucht (nicht lachen, das hat gedauert!), schön fest aufgedrückt daß nach'm Faxen auch noch was davon lesbar ist und wieder durch das Fax geworfen.

Fax schnurrt ab. Beruhigend wirkt der Mangel an Antwort nicht, aber zumindest vertraut.

Also dann, auf zur nächsten Call-in Show bei Deutsche Welle Polen!

(Konsonantenhürdenlauf, Deutsch verlangen...)
DWP: Aber ich sage Ihnen Fax normal schicken!
I: Ja hab ich doch!
DWP: Nein! Ist nicht normal Fax!
I: (Jo wie nu', müssen wir'n Einschreiben schicken oder fehlt das Porto?) Wie, normal Fax?
DWP: Na das nicht unser Forumular!
I: (Polen ist nicht so weit weg wie Indien, da fliegt man schnell rüber und reißt mal am Schlund an...) Doch, ist Ihr Formular!
DWP: (Überzeugt) NEIN! Ist nicht unser Formular!
I: Oben drauf steht doch $firma, oder?
DWP: Ja! Aber sonst alles falsch!
I: Warum?
DWP: Unser Formular ist Englisch.

*TILT* WOZU STEHEN DA 500 FORMULARE IN EBENSOVIELEN SPRACHEN...

I: Aha, ich versteh schon. Gut, danke, mein Fehler (eh klar), ich schick gleich nochmal.
DWP: Gut *klick*

Englische Version vom Faxformular runtergeladen (sieht EXAKT ident aus, bis auf die Beschriftungen. Man könnte einfach die Felder nehmen und eintragen, es ist GANZ GENAU UND ABSOLUT GLEICH. Es reicht zu wissen, daß das erste Feld für den Kundennamen steht, das zweite für die Straße, man muß nicht lesen können was daneben steht!). Ausfüllen. Faxen. Warten. Vergeblich warten.

Call-in Show. Übliches Begrüßungsgezeter, deutsch bitte... in 'ner comedy show wär's inzwischen ein Running-Gag.

DWP: Ich nix deutsch.
I: Wir haben gerade deutsch telefoniert.
DWP: Nur Kollegin, aber Kollegin weg.
I: Mist...
DWP (verzweifelt) Ich nur wenig Deutsch!
I: (nicht weniger verzweifelt und mit etwas erhobener Stimme, man verzeihe mir die leichte Resignation) Und ich gar nix Polnisch, was jetzt?
(Stimme aus dem Off hinter mir): Entschuldigen? Ich spreche Polnisch.

Hinter mir steht die Putze. Ich behalte mir die Fernsehrechte an dem Stoff vor, daraus gehört 'ne Sitcom gemacht!

Ich drück ihr wortlos das Telefon in die Hand, mein Verstand geht kurz in die verdiente Rauchpause und ich steh echt kurz davor ein paar Takte zu weinen. Oder zu lachen. Beides wär unheimlich passend. Es fliegt sehr viel Polnisch durch den Äther und ich frag mich einerseits wie ich das erklär, sollte irgendwem fad genug werden sich die Bänder mal anzuhören, und andererseits, ob sich die beiden kennen weil sie sich so launig unterhalten (wenn's so ist beiß ich in den Tisch, das wär ZU komisch). Is' mir jetzt auch egal, Himmel, ich brauch 'n Streamer!

I: Fragen Sie ob das Fax angekommen ist.
P(utze): (Zungenbrecher für Fortgeschrittene, dazwischen irgendwo "Fax")
P (schließlich zu mir): Welches Fax?

Ich halt ihr das Teil unter die Nase, sie guckt mich fragend an, ich erkläre ihr in halbwegs einfachen Termini und unter Zuhilfenahme sämtlicher Extremitäten und einer kleinen Ausdruckstanzeinlage, daß davon eine Kopie bei der Kollegin am anderen Ende der Leitung ist. Sie beginnt das Fax in blumigen Ausschmückungen zu beschreiben, was ich daran erkenne, daß gelegentlich unser Firmenname fällt und ein paar andere Dinger die ich mit dem Stift ins Formular gemalt habe.

P: Ja, ist da.
I: Gut, fragen Sie bitte wie's jetzt weitergeht.
P: (Speit wüste Flüche in fremden Zungen in den Apparat)
P: Sie müssen warten.

Worauf, Godot? Ich bin nicht Estragon (bei der Gelegenheit, ich hab Hunger!).

I: Wie bitte komm ich an meinen Streamer?
P: ??? (Der Blick sagt alles)
I (Ausdruckstanz): Fragen Sie was passieren wird, was sie jetzt unternehmen wegen (gestikulier) unserem Streamer der (internationales Zeichen für "im Arsch") kaputt ist.
P: (Polnischer Monolog, ich tippe auf eine Hamlet-Neufassung)
P: Sie sagt, morgen wird Mann kommen mit Apparat. Sie geben kaputten Apparat, bekommen guten Apparat.
I: Gut. Müssen wir diesen Apparat irgendwie verpacken (Ich stelle unter Zuhilfenahme eines Blatt Papiers Christo für Arme dar) oder brauchen wir sonst irgendwas, irgendwelche Dokumente (Aktenordner durchblätter) oder sonst irgendetwas?
P (unterhält sich über's Wetter, vielleicht stellt sie auch meine Frage...)
P: Sie sagt, brauchen nix verpacken, nur Kopie von Rechnung und bereithaben für morgen wenn Mann kommt.
I: Gut.

Ich organisier für die Putze 'n Kaffee, schreib ihr 'ne Stunde mehr auf ihren Zettel als sie gearbeitet hat (no is' das mindeste, außerdem kostet's ja nicht meine Kohle und Leute mit essentiellen Fremdsprachenkenntnissen muß man sich warmhalten).

Ich fummel noch den alten Streamer aus dem Gerät und stell ihn griffbereit auf den Tisch. Da ich grad 'n paar Meter Bubble-Wrap in Griffweite hab, wird das Teil da reingestopft, nur falls der Lastenschlepper morgen mit dem Ding geschickterweise Newton's Theorie von der Gravitation testen will.

Irgendwie hab ich das Gefühl, der Spaß geht noch 'nen Akt weiter. Ich will gar nicht mehr wissen wie's ausgeht. Chef ist nimmer da, das heißt einen Noturlaub für morgen drehen ist nicht. Vielleicht kann ich meinen Arzt zu 'ner Krankmeldung überreden.

Alles was ich will ist ein Streamer, ist das echt zu viel verlangt?

Isses. Schließlich wär's ein Garantiefall, da ist bekanntlich ALLES zu viel verlangt.


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