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PC von DELL - Ein Hackstück mit Türstopper

Beitrag von Marquel, am 29.03.2006
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-Prolog
Ich habe einen Kunden, ich will ihn der Einfachheit halber mal "Wurmwald" nennen. Wer mal "Matilda" von Roald Dahl gelesen hat, dem sei gesagt, daß mein Wurmwald dem Literaturwurmwald erschreckend ähnlich ist.

Jener Wurmwald hatte zwischen Weihnachten und Silvester 2005 einen jener Einfälle, die jeden in seiner Umgebung dem Risiko eines Herzinfarkts aussetzen. Ich persönlich glaube ja, daß er selbst noch nicht verstanden hat, warum er das alles getan hat. Jedenfalls brauchte er zur Realisierung einen weiteren PC in seinen Geschäftsräumen. Soweit so gut. Nur, wie sich das für einen anständigen Geek gehört, weilte ich nicht in seiner Nähe sondern beim 22C3 in Berlin.


-Die Bestellung
Wurmwald rief mich also an...
W(urmwald): Hallo, Du wir brauchen noch einen PC für die Buchhaltung!
M(arquel): (Wie? Was? Kein Wort verstanden, die S-Bahn is so laut...) Äh, ja, aber ihr habt doch schon...?
W: Nee, wir brauchen noch einen!
M: Ja, gut, ich bin am 02.01. bei euch, dann können wir das besprechen.
W: Nee, das muß schneller gehen!
M: Ich bin in Berlin. In einer S-Bahn. Weit weg. Ich bin erst am 02.01. wieder da. Wie soll ich _jetzt_ einen PC organisieren?
W: Ja, gut, okay. Tschüß.
M: (Ja, von wegen!) Tschüß...

Da ich nach meiner Heimkehr vorerst nichts mehr von dem Projekt hörte und schon ahnte, daß viel Stress auf mich wartete, hielt ich erstmal meine Klappe. Lediglich erfuhr ich aus verlässlicher Quelle, daß wohl unmittelbar nach diesem Anruf ein DELL-PC bestellt worden sei.

Zwei Wochen herrschte Funkstille, dann war es soweit (hatte ich erwähnt, daß es schnell gehen sollte?).


-Die Lieferung
Der DELL-PC traf ein. Zwei große Kisten, eine mit dem zugehörigen TFT-Monitor. Ich schaffte den PC zu mir in die Werkstatt, um ihn für seinen Einsatz zu rüsten. Nun muß man wissen, daß dieser PC an einen VGA-PS/2-Konsolenumschalter angeschlossen werden sollte.
Ich packte das Gerät aus und klemmte mich ans Telefon. Wurmwald, der Spezialist, hatte einen Legacy-free PC ohne PS/2-Anschlüsse gekauft. Das Schlimmste zu verhindern suchend, begehrte ich nach der Rechnung, um die Möglichkeiten von Umtausch oder Rückgabe mit DELL auszuloten.
Der Blick auf die Rechnung war "erhebend": Wurmwald hatte dreimal mehr für den PC bezahlt, als er bezahlt hätte, hätte er nur auf meine Rückkehr aus Berlin gewartet.

M(arquel): Ja, gudn Tach, Marquel mein Name, wir haben hier einen DELL Dimension, und der passt nicht.
D(ELL-Support): Wie?
M: Der hat keine PS/2-Anschlüsse und die brauchen wir.
D: Ja, hat er nicht.
M: Können wir das Gerät umtauschen oder zurückgeben?
D: Rechnungsnummer?
M: *durchgeb*
D: Der ist für eine Firma gekauft worden.
M: Ja...
D: Keine Rückgabe.
M: Ja, können wir ihn dann umtauschen? Der ist ja noch nichtmal angeschlossen...
D: Nein. Firmenkauf.
M: Auch nicht gegen ein höherwertiges Gerät.
D: Nein. Firmenkauf.
M: Danke. Wiederhören.

Schön, daß der weltgrößte PC-Händler kulanzunfähig ist... Nun ist die Scheiße aber passiert, jetzt darf ich sie ausbaden...

-Das Ausprobieren
Von jetzt an hatte der DELL-PC die Bezeichnung "Türstopper", funktional zwar, aber für den Kunden nicht zu gebrauchen.
Die Ausgabe für einen weiteren PC scheuend, wies Wurmwald mich an, zunächst nach anderen Möglichkeiten zu suchen, den Türstopper am vorgesehen Platz einsatzbereit zu bekommen. Für Fälle, in denen PS/2-Anschlüsse benötigt werden, das Gerät aber nur USB-Ports besitzt, hält der Einzelhandel spezielle Adapter bereit. Einziges Problem daran: Die fühlen sich von der Tastatur- und Mausemulation eines elektronischen Konsolenumschalters meist gründlich verarscht und verweigern die Zusammenarbeit. Mittlerweile war es die dritte oder vierte Januarwoche. Ich hatte erwähnt, daß es schnell gehen sollte, oder?
Nachforschungen beim Nonameanbieter des Umschalters ergaben, daß eben jener Anbieter auch einen passenden und getesteten Adapter für mein Problem im Sortiment hat. Immerhin: Dessen Support ist besser als der von DELL und der versteht sogar Deutsch...

Nachdem der Adapter getauscht war, funktionierte nun wenigstens die Tastatur. Manchmal. Die Maus verweigerte weiterhin ihren Dienst. Mag sein, daß das daran lag, daß die Maus an sich auch ein USB-Gerät war. Gravierender aber war, daß der Türstopper sich uneins war, ob er Tastatureingaben nun annehmen sollte, oder nicht. Und wenn er sie denn mal annahm, dann meist in mehrfacher Ausführung. Das hätte den Nutzer auf eine Tippgeschwindigkeit unterhalb von "Zwei-Finger-Adler-Such" beschränkt. Ob damit jemand arbeiten will, überlasse ich jedem selbst, ich kann und will das sicher nicht.


-Der Neukauf
Nachdem nun auch langsam der Belegschaft dämmerte, daß auch meine Möglichkeiten, störrische Geräte zur Zusammenarbeit zu überreden, begrenzt waren, mußte nun eine Lösung her, die auch als solche bezeichnet werden konnte. Denn es war nun die erste Februarwoche rum und der PC, der zum 01.02.2006 betriebsbereit sein sollte, war immer noch nicht mehr, als ein Haufen teures Altmetall. Und dabei sollte es doch schnell gehen.

Wurmwald beorderte mich in die Firma zu einem Gespräch, wie's weitergehen sollte...
M(arquel): Der PC wird nicht funktionieren.
F(reund von Wurmwald): Aber der muß ja gar nicht ins Netzwerk.
M: Er wird auch ohne Netzwerk nicht funktionieren, obwohl das Netzwerk nun gerade das ist, was funktioniert.
F: Auch nicht, wenn er ohne die anderen Rechner läuft?
M: Soll er drucken können?
F: Ja...
M: Dann braucht er entweder die anderen Maschinen oder es geht nicht.
F: Wieso nicht?
M: Weil er keinen passenden Anschluß hat.
F: Der muß doch einen Druckeranschluß haben.
M: Hat er auch, aber da passt keiner der Drucker, die hier rumstehen, dran.
F: Und bei mir...?
M: Wenn Ihre Drucker nicht wesentlich jünger sind und keine Firmenlaserdrucker, dann könnte das sein...
F: Nee, meine sind auch älter und alles Laserdrucker.
M: Dann wird das nicht gehen.
F: Gar nicht?
M: Nein.
F: Und nun?
M: Beschaffe ich für <weniger als 300 Euro> einen Rechner, der kann, was er soll.
F: Bis wann?
M: Bis morgen.
W: Gut, mach das.

Und Wurmwald stand der Mund offen, als ich tatsächlich einen Tag später mit dem Neugerät erschien und dieses noch am gleichen Tag seine Arbeit aufnehmen konnte.

-Epilog
Allerdings machte Wurmwald beim Aufbau des nunmehr bereits seit zwei Tagen arbeitenden PCs den Fehler, erneut darauf hinzuweisen, daß ihm der Sinn nach beschleunigten Vorgängen steht.
Nun haben die Geschäftsräume von Wurmwald keinen Teppich, was sich in einem erstaunlich starken Staubeintrag in den eher unzugänglichen Ecken ausdrückt. In einer jener Ecken war ich gerade damit befasst, den neuen PC in die z.T. nur noch als haarsträubend zu bezeichnende Verkabelung zu integrieren. Dementsprechend dreckverschmiert erhob ich mich aus der Ecke...

W: Wir müssen mal schnell-schnell machen, sonst verlieren wir.
M: (deutet auf den nunmehr endgültig ausser Dienst gestellten Türstopper) Ja, was bei schnell-scnhell rauskommt, steht da an der Wand.

Und, oh wunder, er war still. Das erste Mal seit ich für ihn arbeite, war er still.

Der Türstopper steht nun wieder in meiner Werkstatt und wartet auf die Wiederherstellungs-CD von DELL (warum die nicht mitgeliefert wird, werde ich sicher nicht verstehen...), damit er im Auslieferungszustand wieder verkauft werden kann.

Bleibt mir noch, zum Schluß zu bemerken, daß der DELL-PC eine überflüssige Anschaffung war, denn alles, was Wurmwald brauchte, stand auf der Rechnung, die ich ihm schrieb, und die trotz allem immer noch geringer war, als der Anschaffungspreis für den DELL...


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