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Nächtliche dringende Besorgungen

Beitrag von Heinrich Dorfmann, am 11.09.2014
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Menschen sind bekanntlich unterschiedlich, die einen bevorzugen Maus und Tastatur am Kabel, die anderen hätten es lieber kabellos. So bequem funkende Mäuse und Tastaturen auch sein mögen, beiden ist gemein, dass im unpassendsten Moment die Batterien leer sind und dann nichts mehr geht.

Eine gute IT-Abteilung ahnt sowas, also hat man an zentraler Stelle einen Schrank mit Verbrauchsmaterial. Egal wer und egal wann, bei dringendem Bedarf können dort Tinte, Toner, Druckerpapier, Batterien für kabellose Mäuse und Tastaturen, aber auch Ersatz 'plötzlich' defekte Maus oder Tastatur entnommen werden. Einmal am Tag kontrollieren wir den Schrank und füllen ihn bei Bedarf wieder auf, so ersparen wir uns, dass wir mehrmals am Tag wegen irgendwelcher Kleinigkeiten gestört werden.

Irgendwann war Anton Schlaubinger als interner Berater bei uns. Schon als Schüler fiel Anton während eines Praktikums durch seine arrogante Art auf. Zur Familie Schlaubinger zu gehören reichte offenbar als Qualifikation. Nun hatte Anton seinen Bachelor in BWL gemacht, womit er reichlich angab, und benahm sich, als ob ihm die ganze Firma Schlaubinger gehöre.

Eines Morgens, noch vor dem ersten Kaffee kam er ins Büro, und brüllte die versammelte IT-Mannschaft zusammen, was für ein Scheißladen wir doch wären, er habe bis spät in die Nacht an einer wichtigen Sache gearbeitet, aber dann konnte er nicht weitermachen, weil seine Maus nicht mehr funktionierte und das unsere Schuld sei, immerhin hätten wir für Batterien zu sorgen. So musste er dann per Taxi von der nächsten Tankstelle etliche Kilometer entfernt Batterien kommen lassen und das müsse die Firma bezahlen, das ginge zu Lasten meiner Kostenstelle.

Gut, das war eine Ansage. Ich wollte darauf hinweisen, daß es für solche Fälle ja den besagten Schrank gebe und an unserer Tür auch ein Hinweis auf eben jenen Schrank sei, aber Anton Schlaubinger fiel mir ins Wort und drohte an, den ganzen Vorfall zu melden und sich über unsere unendliche Inkompetenz bei Schlaubinger Senior zu beschweren.

Einen Anruf später und der Betriebsrat war da, gemeinsam mit dem Datenschutzbeauftragten sahen wir uns die Aufzeichnungen der Videoüberwachung des Vortages an. Nach kurzer Zeit reichte es uns und alle gingen wieder ihrer eigentlichen Arbeit nach.

Kurze Zeit später waren die Schlaubingers da. Kaum durch die Tür, begann Anton seine Vorwürfe zu wiederholen, steigerte sich immer weiter in seine Vorwürfe und der Schaden, der entstanden sei, wurde immer größer. Der Senior hörte schweigend zu.

Ich fragte, ob er sich wirklich sicher sei, dass alles genau so abgelaufen sei, ob alles nicht auch ganz anders gewesen sein könne. Anton bestätigte seine Version. Dann boten wir an, die Videoaufzeichnung anzusehen, der Senior stimmte zu. Betriebsrat und Datenschutzbeauftragte kamen vorbei und wir sahen gemeinsam die Aufzeichnung an.

Zu besagter Zeit kam tatsächlich ein Taxi an, allerdings stieg nicht der Fahrer aus, um die angeblich so dringend benötigten Batterien zu bringen, statt dessen stieg eine junge Dame, gekleidet wie Pretty Woman aus dem gleichnamigen Film, aus dem Taxi, in der Hand eine Flasche Sekt (oder Champagner, so genau war die Aufzeichnung nicht zu erkennen).

Der Senior schmunzelte, seine Einschätzung Antons schien sich bestätigt. Anton hingegen wurde erst knallerot im Gesicht und dann immer kleiner. Und ab dem nächsten Tag hatte er woanders 'wichtige Projekte' zu erledigen.

Die IT-Abteilung bekam vom Senior noch ein Lob für die Idee mit dem Vorratsschrank. Als Chef hatte er diese Idee noch nicht mitbekommen.



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