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OT: Schulplanung Ungenügend

Beitrag von amiga, am 21.08.2014
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Vor einigen Jahren, nach dem Realschulabschluss, dachte sich die junge Amiga, das
reicht noch nicht, und schrieb sich an einer Fachoberschule (für unsere
Baden-Württemberger die sowas nicht kennen: Eine Art gymnasiale Oberstufe bei der
man ein Fachabitur machen kann) in einer mittelgroßen Stadt ein. Die Schule war in
einem ziemlich alten und verfallenen Gebäude untergebracht in dem es sogar Mäuse und
alte riesige Kellergewölbe gab, die sonstwohin führten. Außerdem war das Gebäude
schon seit Jahren zu klein für die Schule. Etwas die Straße runter gab es in einem
ehemaligen Geschäft noch drei Klassenzimmer (schön mit Glasfront zum reinschauen für die Passanten)
und einige Kilometer weiter weg am Stadtrand, in einer Firma, waren auch noch
Schüler untergebracht. Für die Lehrer bedeutete da ein Stundenwechsel also
teilweise eine viertelstündige Autofahrt.

Die Stadt dachte sich also: Da muss ein neues schönes Gebäude her und veranstaltet
einen kleinen Wettbewerb für Architekten, um den Auftrag zu vergeben, die neue Schule
zu planen und zu entwerfen. Die Auswahl sollte in unserer Turnhalle stattfinden, und
so begab es sich dass einen schönen Tages mehrere Politiker und andere wichtige Leute
mit Schlipsen bei uns auftauchten.

Unser Hausmeister wollte sich das Spektakel nicht entgehen lassen, setzte sich
dazu (natürlich in Jeans und Pullover) und schaute den ganzen schlauen Leuten zu wie
Sie ihre Pläne und Ideen präsentierten. Später erzählte er einigen Schülern (ich war dabei) auch ganz
genau was in der Turnhalle vorgefallen war. Dazu muss ich jedoch kurz ausholen und
den Hausmeister vorstellen. Er ist ein praktisch denkender Mann der schon seit Jahren
den Schulbetrieb mitverfolgte. Mit der Zeit lernt man da natürlich wie eine Schule
auszusehen hat um praktisch und funktionell zu sein.

Das Spektakel ging los. Der erste Architekt stellt seinen Plan vor. Alle anderen
Schlipsträger applaudieren brav und sagen wie schön es ist. Fragen kommen keine.
Außer von unserem Hausmeister:
"Entschuldigen Sie, vielleicht bin ich ja einfach nur zu blöd um es zu sehen, aber
wo ist die Aula der Schule in ihrem Plan verzeichnet?"
Es gab natürlich keine.

So ähnlich ging es weiter. Ein Architekt stellte vor. Unser Hausmeister fand einen
Fehler. Mit der Zeit zeigten sich weitere Mängel:

- Bei einem anderen Entwurf hatte ein Architekt alle Chemie-, Physik-, und Biologie-
Klassenräume im Erdgeschoss untergebracht. Beim Stundenwechsel würde das zu einem
irrsinnigen Gedränge führen, weshalb diese Räume in den meisten Schulen ja auch im
ersten Stock untergebracht sind
- Ein anderer Architekt hatte die schuleigenen Elektro- und Metallwerkstätten
vergessen
(wichtig für Praktikas)
- eine entworfene Schule hatte so viele Klassenzimmer das es genau zum jetzigen
Schulstand passen würde, d.h. es war kein einziger Reserve-Klassenraum geplant

- Ein Entwurf hatte sogar noch weniger Klassenzimmer als das aktuelle
Haupt-Schulgebäude

Zeitsprung in die Gegenwart: Inzwischen steht das neue Schulgebäude seit einigen
Jahren. Ich habe es leider nie von innen gesehen, da ich die Schule bereits abgeschlossen hatte. Und die Ausweichstätten am Stadtrand und dem Geschäft? Das Geschäft ist wieder
schülerfrei aber am Stadtrand sind immer noch Klassenzimmer. Die neue Schule
war von vornherein zu klein gebaut worden. Einzige Verbesserung. Sie ist jetzt ca.
einen Kilometer näher an den Ausweichklassenzimmern dran und nicht mehr direkt im
Stadtzentrum. Die Lehrer brauchen also nur noch 10 Minuten mit dem Auto zu fahren.

Die DAUs?
Zum einen die Architekten. Die müssen doch alle mindestens 13 Jahre lang eine Schule
von Innen gesehen haben. Die Entwürfe zeigten jedoch häufig etwas anderes.

Zum anderen die Politiker und wichtigen Schlipsträger die sich trotz der bekannten
Problematik für ein zu kleines Gebäude entschieden haben.

Wenigstens sieht die neue Schule von Außen schön aus und die Mäuse sind nicht mitgekommen
worden beim Umzug.


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