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Ach, was wissen Sie denn schon...

Beitrag von Lissy, am 22.07.2014
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Vorgeschichte:
Ursprünglich wollte ich Biologie auf der Uni studieren, landete dann aber auf Umwegen im Erststudium als Chemiestudentin an einer FH, von wo aus ich nach 4 Semestern auf eine andere FH zur Informatik (meinem Zweitstudium) wechselte und mich nun Dipl.-Inf(FH) schimpfen darf.

Im Rahmen des Erststudiums mußte ich auch ein Praxissemester ableisten. Die Geschichte, welche ich hier schildern möchte, fand in den 1980ern während eben jenes Praxissemesters statt.

Protagonisten:
I = Meine Wenigkeit
(damals stolze Besitzerin eines C128 und daher schon mit Grundwissen in Sachen Compi & Co. ausgestattet)
G = Gruppenleiter
(Ex-Abteilungsleiter mit Minderwertigkeitskomplexen à la: "Bilden Sie sich ja nichts ein, weil ich nur Hauptschule habe und Sie Abitur! Ich habe eine qualifizierte Ausbildung und Sie nicht!")
L = Laborant (sehr fähiger Mann auf seinem Gebiet und G gegenüber eher distanziert)

Hauptgeschichte:
Eine quantitative Analyse sollte durchgeführt werden.

Dazu wurden die als wäßrige Lösung aufbereiteten Proben mit einem Reagens versehen, welches eine Rotfärbung verursachte, deren Intensität vom Gehalt der zu untersuchenden Substanz abhängig war. Dann wurden die Proben "durchleuchtet" und anhand der Absorption des Lichts auf den Gehalt der zu analysierenden Substanz geschlossen. So weit so gut.

Nun gab es neben einem älteren Modell auch ein speziell für diese Analyseart angeschafftes sündhaft teueres Gerät, welches ich nach G's Meinung uuunbedingt mal kennenlernen sollte. Also gesagt, getan:

Proben aufbereitet und Reagens hinzugefügt (alles streng nach Analysevorschrift)
Rein in das speziell für diese Analyseart angeschaffte sündhaft teuere Gerät
Am speziell für diese Analyseart angeschafften sündhaft teueren Gerät Probedaten eingegeben, ein paar Knöpfchen gedrückt und los gings.

Der erste Durchlauf läuft reibungslos, das speziell für diese Analyseart angeschaffte sündhaft teuere Gerät schnurrt wie ein Kätzchen und druckt zu guter Letzt auch brav seine Ergebnisse auf Thermopapier aus.

G und L werden mutiger und beginnen eine zweite Analyse.

Plötzlich: Alles, was es am speziell für diese Analyseart angeschafften sündhaft teueren Gerät an Lämpchen gibt, zeigt ein Dauerleuchten. Kein Schnurren. Kein Ergebnis auf Thermopapier. Nix geht mehr.

(Meine Vermutung: Die Firmware des Geräts ist abgestürzt; hier hift nur noch ein Reboot!)

L versucht als Erster sein Glück, drückt am speziell für diese Analyseart angeschafften sündhaft teueren Gerät ein paar Tasten und Knöpfchen: keine Reaktion.

G stellt sich dazu und beide versuchen ihr Glück am speziell für diese Analyseart angeschafften sündhaft teueren Gerät: Kein Erfolg...

Ich sehe mir das ca. zehn Minuten an, bevor ich meine erste zaghafte Bemerkung mache:
"Ausschalten, ein paar Sekunden warten, dann wieder einschalten - vielleicht funktioniert's dann wieder!"

Hätte ich nichts gesagt, wäre der Effekt derselbe gewesen!

Eine halbe Stunde später: immer noch leuchteten alle Lämpchen am speziell für diese Analyseart angeschafften sündhaft teueren Gerät - und immer noch versuchten G und L verzweifelt, die Analyse(daten) zu retten. Selbst das Handbuch vom speziell für diese Analyseart angeschafften sündhaft teueren Gerät wurde genauestens durchforscht - nada!

Nochmal eine halbe Stunde später wagte ich es erneut:
"Schalten Sie doch einfach das speziell für diese Analyseart angeschaffte sündhaft teuere Gerät aus, warten ein paar Sekunden und schalten es wieder ein!"

Keine Reaktion! Als wäre ich gar nicht anwesend!

Diesmal wartete ich nur knapp 10 Minuten, bevor ich mein Sprüchlein nochmal aufsagte:
"Schalten Sie doch bitte endlich das speziell für diese Analyseart angeschaffte sündhaft teuere Gerät aus, warten ein paar Sekunden und schalten es dann wieder ein!"

Ein Wunder ist geschehen; G gab mir tatsächlich Antwort - nur leider nicht die erhoffte: "Ach, was wissen Sie denn schon über Computer!"

(nicht viel, aber genug um zu erkennen, daß die beiden keinen Erfolg haben wüden, aber wenigstens hat überhaupt mal einer auf mich reagiert...)

Noch später. Inzwischen waren insgesamt gute 2 Stunden vergangen, als L schließlich in einem Anfall von Vernunft handelte: Er schaltete das speziell für diese Analyseart angeschaffte sündhaft teuere Gerät aus, wartete ein paar Sekunden und schaltete es dann wieder ein.

Das Gerät funktionierte wieder, G und L mußten die betroffene Einzelanalyse zwar wiederholen, aber die Analysereihe konnte dann wie geplant fortgeführt werden.

Fazit: G und L verplemperten je 2 Stunden freiwillig, I 2 Stunden unfreiwillig (= 6 Mannstunden für nix und wieder nix) für ein Problem, welches in wenigen Minuten hätte gelöst werden können, hätten G und L nur auf I gehört...

Aber welcher mit einer "qualifizierten Ausbildung" gesegnete "Experte" hört schon auf eine kleine Praktikantin???



Wer Rechschreib- und/oder Gramatikfehler findet, darf sie behalten oder bei der Caritas abgeben...


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