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BKA-Trojaner oder Die unendliche Geschichte eines DAU
Beitrag von Thinkpad, am 20.07.2012
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Hallo liebe Daujones-Leser!
So lange nicht gesehen und doch wieder erkannt. Das Erlebnis was ich euch nun berichte, zieht sich über einen Zeitraum von 5 Wochen und liegt nun schon ca. 10 Wochen zurück. Dementsprechend ist die Geschichte sehr lang und erfordert eine gute Portion Lesewillen, wenn man bis zum, für euch hoffentlich, amüsanten Ende kommen möchte.
Nun zu meinem Erlebnis (Qual wäre treffender!):
Vorwort:
Es gibt Trojaner und es gibt die sogenannten Bundes-Trojaner oder auch BKA Trojaner. Diese Schädlinge machen nichts anderes, als den Computer zu sperren und ein JPEG zu zeigen, auf dem meistens folgender Inhalt steht:
"Das Betriebssystem wurde im Zusammenhang mit Verstoßen gegen die Gesetze der Bundesrepublik Deutschland gesperrt."
Angeblich seien auf dem Computer illegale Inhalte wie Kinderpornographie entdeckt worden.
Zudem seien bei der Überprüfung des PC auch E-Mails mit "terroristischen Hintergründen" festgestellt worden.
Wer seinen Computer nun wieder "reparieren" will, soll eine Geldstrafe zahlen.
Die neueste Variante des Virus verlangt 100 bis 500 Euro für die Freischaltung des Computers mittels Paysafe-Card oder Ukash.
Nur zur Story:
(Kunde = K, Meine Wenigkeit = T)
Der Kunde betritt mein Geschäft
(Ich bin jetzt stellvertretender Filialleiter in einer größeren Filiale. Jetzt kann ich "mein Geschäft" ohne schlechtes Gewissen sagen :D )
K: Guten Tag, ich habe etwas dummes gemacht, ich brauche ganz dringend ihre Hilfe!!! Bitte!
T: Was ist denn los?
(Seinem Gesichtsausdruck nach, wurde er gerade mit dem Tode bedroht)
K: Ich komme ins Gefängnis! Ich hab aber nichts gemacht! Ehrlich! Ich bin kein schlechter Mensch! Hier sehen sie sich das bitte an, das kann nicht stimmen!
(Stellt mir seinen eingeschalteten ACER-Laptop auf den Tresen, auf dem Display erkenne ich sofort den BKA-Trojaner)
T: Setzen sie sich erst mal. Alles ist gut.
(Drehe mich zu meinem Kaffeeautomaten um und mach dem armen Mann erst mal einen ordentlichen Muntermacher)
K: Ich habe keine Kinderpornos! Ich bin verheiratet! Wenn meine Frau das sieht, dann... *Ich unterbreche ihn mal*
T: Ganz ruhig jetzt. Hier nehmen sie erst mal den Cappuccino. Sie haben hier nichts falsch gemacht, dass ist ein Trojaner, der zur Zeit im Umlauf ist. Mit diesem Bild werde ich drei mal die Woche konfrontiert.
K: Was? ...Trojaner?
(Seine Stimmung ist nicht mehr ganz am Boden, aber er schaut noch etwas ungläubig, daher hole ich aus dem Reparaturschrank ein ASUS-Notebook eines anderen Kunden, schalte es ein und zeige ihm "seinen Trojaner" auf diesem Gerät. Erst jetzt versteht er, dass er nicht ins Gefängnis gehen muss)
T: Ja, dass ist einfach nur ein Schädling, der sie einschüchtern will, damit sie den unten genannten Betrag zahlen. Keine Sorge, den kann man bei uns für 60 Euro komplett entfernen lassen.
(Ich gebe zu 60 Euro klingt viel, aber bei der Entfernung des BKA-Trojaners benutzen wir drei verschiedene Rescue-DVD's: Kaspersky, Bitdefender und Norton. Wenn der Trojaner entfernt wurde, wird nochmal komplett gescannt und bei Bedarf ein neuer Virenschutz aufgespielt und geupdatet. Dann werden die Registry-Einträge manuell untersucht. Dem Kunden steht es frei, ob er dann den kostenlosen Microsoft Scurity Essentials nimmt, oder unseren empfohlenen, kostenpflichtigen Kaspersky aufspielen lässt.)
Ich verkürze an dieser Stelle mal den Dialog und fasse zusammen.
Kunde nimmt unsere Viren-/Trojanerentfernung für 60 Euro (inkl. kostenlosem MSE).
Ich drucke dem Kunden den Reparaturauftrag aus und einige Artikel über den BKA-Trojaner, damit er weiß, was ihn genau erwischt hat. Ich erkläre ihm auch direkt, wie ein BKA-Trojaner auf dem PC gelangt. Meist passiert dies durch Streaming-Seiten oder unbekannte Email mit Anhang, den man nichtsahnend öffnet.
Ich erkläre ihm auch, dass er diesen Trojaner auch nach der Entfernung immer wieder bekommen kann, somit also keine Garantie oder Gewährleistung auf der Trojanerentfernung Anwendung findet. Das ist eine ganz wichtige Tatsache.
Es vergehen ein paar Tage und der Kunde steht wieder im Geschäft und holt sich sein "gesäubertes" Notebook ab. Er ist kaum wieder zuerkennen, denn er lächelt und freut sich, wie ein Schnitzel. Ich führe ihm das Gerät nochmal ordentlich vor, damit er auch sieht, dass keine Sperre mehr zwischen ihm und seinem Windows 7 liegt und auch niemand mehr Geld von ihm möchte.
Nun beginnen die "eigentlichen" Ereignisse:
Der Kunde am darauf folgenden Tag wieder in meinen Laden. Er guckt grimmig und verärgert und ich ahne schon, was passiert ist.
K: Hallo! Ich hab bei ihnen gestern den Laptop abgeholt und vorhin kam wieder der BKA-Trojaner! Warum ist das so?! Sie wollten den entfernen!
T: Ich hatte ihn entfernt. Mich trifft hier keine Schuld. Was haben sie denn als letztes gemacht, bevor er wieder auftauchte?
K: Nichts! Gar nichts!
("Nichts" ist die häufigste Kundenaussage, wenn sie doch etwas gemacht haben! Oder gibt es fliegende Bka-Trojaner?)
T: Waren sie im Internet oder mit dem Internet verbunden?
K: Ja, ich habe nur etwas bei Google gesurft, aber gemacht habe ich nichts!
T: Hmmm... tut mir ja Leid, aber in dem Fall muss ich wieder eine komplette Entfernung durchführen.
(Ich sage es ganz ehrlich. Ich hasse diese Trojanerentfernungen. Sie bringen zwar Geld ein, sind aber sehr mühselig und es macht einem erst recht keinen Spaß, wenn man vom Kunden noch als Bösewicht dargestellt wird)
K: Was?! Sie haben mir doch gerade erst 60 Euro aus den Taschen genommen!
Ich verkürze mal wieder...
Kunde bezahlt diesmal nur 30 Euro, weil ich ein zu netter Mensch bin. Bei der Entfernung schaue ich mir seinen Verlauf im IE mal an. Und was soll ich euch sagen? Laut den Uhrzeiten war dieser Mann in nur einem Tag fast 12 Stunden bei einschlägigen Porno und Streamingseiten. Ich war von seiner Suchauswahl echt schockiert: Shemale, Horse riding little Girl, hardcore Bondage, Donkey and big girl, Doublefisting tight Girls etc., um mal die harmlosesten Suchbegriffe hier zu nennen.
Unser Kunde hatte aber natürlich "Nichts! Gar nichts!" gemacht.
Er kam einige Tage später und holte wiedereinmal seinen gesäuberten Laptop ab. Ich sagte ihm beiläufig, dass er bitte "unseriöse Seiten" meiden solle, da sonst so etwas wieder passieren kann.
Hat er meinen Ratschlag befolgt? Natürlich nicht!
Am Tag nach der Abholung steht er wieder in meinem Geschäft und zwar direkt zur Ladenöffnungszeit.
K: Sie haben nichts gemacht! Ich verlange meine 90 Euro wieder! Der ist schon wieder da! Sie machen den jetzt kostenlos weg und geben mir mein Geld wieder!
(Wutschnaubend stellt er mir seinen Laptop zum dritten Male hin)
T: Nein, werde ich nicht.
K: Was fällt ihnen ein?! Sie haben diesen Trojaner bestimmt selbst drauf gespielt, damit ich zu ihnen in den Laden komme, um mir mein Geld zu stehlen, sie Verbrecher! Anzeigen sollte man sie!
(WTF?! Die Phantasie der Menschen scheint grenzenlos, solange sie den Fehler nicht bei sich suchen wollen!)
T: Wenn sie ständig Pornos gucken müssen, ist das ihre Sache. Wenn sie darauf stehen, dass ein Pferd eine Frau besteigt oder Transsexuelle beim Akt sind, ist das ihre Sache. Aber wenn sie zu doof sind, zu verstehen, dass sie sich selbst jedes Mal den Trojaner auf genau diesen Seiten einfangen, dann kann ich für sie nichts tun, was von Dauer wäre.
(Habt ihr mal einen Menschen rot werden sehen? Also so richtig tief rot, fast purpurfarben? Ich jetzt schon! Um ihn zu beschreiben, benutze ich mal dieses Smiley: (:-o) )
K: Was....sie können...das habe ich nie...wovon reden sie da?
T: Ich habe ihnen bei dem Zweiten, von ihnen selbst-verschuldeten Vorfall, nur die Hälfte berechnet. Und sie benehmen sich mir gegenüber wie ein Arschloch. Ich bitte sie, ihr Notebook zu nehmen und einen anderen Laden aufzusuchen. Ich werde ihnen nicht mehr helfen.
Der Kunde verließ meinen Laden, und fluchte am Ausgang noch den Satz: "Das hast Konsequenzen!"
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Die Geschichte könnte an dieser Stelle eigentlich beendet sein, doch sie geht weiter.
Ca. zwei Wochen, nachdem ich diesen Kunden des Ladens verwies, bekam ich Post von einer örtlichen Anwaltskanzlei.
Den Inhalt fasse ich mal zusammen:
Mir wird üble Nachrede vorgeworfen, in Verbindung mit Rufmord und dass man mich vor Gericht ziehen möchte, sollte ich die widerrechtlich erschlichenen 90,00 Euro plus 214,42 Euro Anwalts- und Verwaltungskosten, sowie 32,00 Euro Benzinkosten nicht auf ein angegebenes Konto überweisen.
Ich lachte über diesen Brief, da die Ironie so unverschämt offensichtlich war.
Wem es nicht auffällt: Dieser Brief ist GENAU wie der BKA-Trojaner!
Anders als beim BKA-Trojaner, kann ich diesen Brief aber einfach ignorieren. Ich ignorierte auch die anderen 2 Briefe in denen nun sogar eine Mahngebühr von erst 16 Euro, dann nochmal 45 Euro standen. Egal, ab damit zu dem /ignore-Stapel.
Ein paar Tage nach dem letzten Brief steht eine Kundin in meinem Laden und behauptet von sich selbst, die Ehefrau von oben genanntem Kunden zu sein. Sie könne nicht verstehen, warum ihr Mann zum Anwalt gegangen sei und wollte sich von mir das Erlebnis nochmal schildern lassen.
Ich unterhielt mich nett mit ihr und erklärte ihr, was genau passiert sei.
Ich erzählte ihr, dass ihr Gatte durch unseriöse Seiten diesen Trojaner bekam. Ich erzählte ihr aber nicht, was genau das für Seiten waren oder was ihr Mann für Suchbegriffe nutze. Das wäre gemein von mir und ich wollte der netten Dame das nicht antun.
(Nicht jede Frau findet es toll, dass ihr Mann Pferden beim Liebesakt mit Frauen zuschaut)
Wir verabschiedeten uns freundlich und ich war echt überrascht, dass so ein A**** so eine nette Frau hat.
Daher staunte ich nicht schlecht, als sie am nächsten Tag zusammen bei mir im Laden standen. Die Frau lief hinter ihrem Mann, der mit einem Grinsen in meinen Laden marschierte.
K: Meine Frau hat gesagt, wir sollen das ohne Anwalt klären. Was sagen sie dazu?
T: Gerne doch.
(Ich dachte, er habe nun endlich seinen Fehler eingesehen, leider nicht)
K: Ja, ich hab jetzt Anwaltskosten von 340 Euro am Arsch und ich biete ihnen an, dass wir uns diese so teilen: Sie 250 Euro und ich 90 Euro. Und dann machen sie den BKA-Trojaner nochmal ordentlich von diesem Gerät weg und dann ist alles jut.
Okay? Hand drauf!
(Er stellt seinen Laptop auf den Tresen und hält mir tatsächlich seine Hand zur Abmachung hin)
T: Bestimmt nicht. Ich werde bestimmt nicht ihre Anwaltskosten übernehmen, nur weil sie sich Trojaner durch Tier-Pornos einfangen.
(In diesem Moment ist es mir leider raus gerutscht. Ich hatte wirklich vor, es in Gegenwart seiner Frau zu erwähnen, aber die unglaubliche Dreistigkeit tat den Rest. Seine Frau schaute auf. Ihr Blick wirkte sehr, sehr verärgert)
K: Erzählen sie nicht so einen Mist!
Frau vom Kunden = F
F: Du mieses Schwein, du hast gesagt, du schaust so was widerliches nicht mehr.
(Wohl gemerkt "nicht mehr"! Hier gab es wohl bereits mal eine Diskussion, über seine heimliche Sucht)
K: Hab ich auch nicht! Das ist gelogen!
(Willkommen zurück purpurfarbener Mann)
F: Du kannst deine Sachen packen und ausziehen. Ich werde mich scheiden lassen, du verlogenes Schwein!
(Verlässt den Laden)
K: Warte....Claudia!
(Verlässt ebenfalls den Laden)
Das war das bisherige letzte Zusammentreffen zwischen dem Kunden und mir. Es ist nun genau 3 Monate her. Vielleicht kommt er ja doch nochmal vorbei, denn sein ACER-Laptop stand, als er und seine Frau raus rannten, noch auf meinem Tresen.
Ich frage mich, ob er jetzt Single ist....


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