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*tilt* ODER: Wer ist hier der DAU?

Beitrag von Maerlyn, am 17.06.2009
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Es ist lang – es ist „anders“ aber ich hoffe unterhaltsam genug.

Es begab sich zu einer Zeit als mein Weibchen entschied es wäre Zeit die heiligen Hallen des Wissens mit der höchsten Weihe (Dipl. Des.) zu verlassen.
Nun müssen in diesen unseren Zeiten auch hochausgebildete Akolythen des Designs sich ihrer Alma Mater als würdig erweisen und ein wohlgeformtes Schriftstück (die Dipl. Arbeit) als Zeichen ihrer Würde hinterlegen.
Mein Weib, geschult in dem was für das Auge schön und den Verstand erhebend wirkt, schickte sich an die geistigen Ergüsse mit einer uns allen vertrauten Textverarbeitungssoftware zu „gestalten“.
Ich selbst, weiß Gott geschult in weitaus profunderen Werkzeugen schlug vor ihr diese Last zu erleichtern und ihr mit dem güldenen Schmelztiegel der Schriftlichkeit (In-Design) beizustehen.
Gesagt getan – das Werk wuchs und wart schlussendlich vollbracht.
Zufrieden, mit Inhalt wie auch Form, wurde der Erguss sowohl in .indd als auch in .pdf auf einem portables Medium verewigt.
„Auf zum Haus der Lettern, auf das aus Gedanken ein Buch werde!“, rief ich – doch weit gefehlt. Ein minderes, gerade noch dem Plebs zur Genüge reichendes 80g Papier kam hier natürlich nicht in Frage. Frau will besseres, nein, das beste, schönste Papier im ganzen Land.
Selbst der bestsortiere Bedruckstoffhändler in unserer kleinen Stadt konnte nach vielen Stunden des Betrachtens, Befühlens und Beschnupperns mit keiner Ware dienen, die meiner Holden Anspruch genügten.
Wie gut, dass ich aufgrund meiner eigenen Studien nicht nur in Layout sondern auch in Bedruckstoffen geschult als ultima ratio die ortsansässige Papierfabrikation und deren Betreiber kannte. Also auf zu jener Quelle.
Dort angekommen gewahrte ich, dass wahrlich noch Zeichen und Wunder geschehen. Beladen mit 800 Seiten feinstem 200g Erzeugnis mattierter eierschalenfarbiger Prächtigkeit war die Zeit des Druckens gekommen.
Der Vorschlag jenes überragende Werk der Schriftlichkeit und der Ästhetik nun in einer, wohl in der Gossensprache „Kopierbude“ genannten, Örtlichkeit verwirklichen zu lassen, hob mir Augenbraue und Magensäure zugleich. Auf keinen Fall. Hier sind Meister der Zunft gefragt. Also auf zum Letternmeister meines Vertrauens.
Dort angekommen wurden wir freundlich begrüßt und dies sogar mit Übermut als man erkannte, dass hier kein Laie am Werk gewesen war.
Ganz der Fachmann den man sich wünschte, wurde natürlich erst ein Probedruck auf schnödem 80g Papier erschaffen.
Dieser, nach langer und eingehender Beobachtung und Prüfung aller im Raum Anwesenden, für gut befunden und der Teufel den ich Xerox nenne mit dem güldenen Stoffe gefüttert.
Wir staunten nicht schlecht, als der aparatus diabolus zwar gebar was wir uns wünschten, sich jedoch die Type von der erhofften – und auch im Dokument angelegten – Palatino Linotype plötzlich in die ordinäre Times New Roman gewandelt hatte.
Stille trat ein und man hörte die Gewinde zweier Hirne schrauben. Sowohl der Druckermeister als auch ich tauschten einen langen, skeptischen Blick – begaben uns zurück zum PC – betrachteten das noch offene Dokument und den Ausdruck im Wechsel. Waren wir Zeugen eines deus ex machina geworden? Wie kann es sein – ein pdf – das ewig Unwandelbare wurde gewandelt? Alchemie? Der Stein des Weisen?
Beschlichen von Zweifeln vereinbarte man einen zweiten Probedruck auf dem Bedruckstoff minderster Qualität. Freudig verwirrt gewahrter wir der Arbeit in ihrer gewünschten Form. „Ein Schalk, eine Mirage, eine Laune der technischen Natur, nun funktioniert es wie gewollt.“ So sprach der Meister, legte nochmals 200 Seiten des edlen Stoffes ein und druckte das pdf erneut – nicht ohne die Einstellungen und Optionen dennoch aufmerksam geprüft zu haben.
Kreuzvermalledeite Eitergeschwüre sollen dir auf deiner Haube wachsen, verfluchte Xerox-Höllenbrut. Dies und ähnliches schoss mir durch die Lippen als wir wieder mit Dutzenden von Seiten, gesetzt in der falschen Type in Händen standen.
Nun gut – erklären können wir nicht alles zwischen Himmel und Erde, aber dafür musste es einen nachvollziehbaren Grund geben – den galt es zu erörtern. Brandopfer wurden dargebracht und flüssiger Teer in Kehlen geschüttet.
Ob besseren Wissens wurden sowohl pdf, als auch PC auf übersehene Unzulänglichkeiten geprüft. Rechner und Drucker beide neu gestartet in der Hoffnung diese alten Rituale würden die bösen Geister endlich austreiben. Um allumfassende Sicherheit zu haben wurde das Dokument an Ort und Stelle nochmals aus seiner reinen, In-Design-haften Form, in pdf gegossen.
Ein weiterer Versuch mit schnödem Papier. … ERFOLG! HEUREKA! Und sie dreht sich doch. Neuen Mut geschöpft, schnell das edle Fließ (mittlerweile auf 400 Exemplare geschmolzen) an die Maschine verfüttert – ein simples Wiederholen des Druckbefehls – … Ich bin ein Narr des Schicksals! Möge der Toner in deinen Eingeweiden zu kochen beginnen, sich deine Rollen aus den Fugen werfen und deine kabelhaften Innerreihen sich gegen dich wenden und langsam ersticken. Brennen sollst du und die dich ersonnen haben! Mögen Pest und Cholera sie befallen und ihnen schmerzhaft juckende Geschwüre am Geschlecht wachsen!
Die in mir wachsende Verwirrung wurde nun von Wogen der Wut auf die Willkür der Götter überschwemmt. Nichts hasst der im Denken geschulte mehr als die Negation der Logik. Der Meister, sichtlich irritiert und wohl auch in seiner Ehre verletzt verschwand und erschien mit zwei anderen, älteren und von der Weisheit und Erfahrung gezeichneten, Vertretern seiner Zunft erneut.
Mein Weib, klagend der Ophelia gleich, in die Ecke mit bequemem Sitzmöbel verbannt, standen nur vier Männer des Wortes um die Teufelsmaschine und ihr arbiträres Werk herum, diskutierten, philosophierten, schüttelten Köpfe, brachten Brandopfer dar und versuchten es Alexander gleich zu tun und den Konten zu lösen. Sich allem was mir lieb und teuer ist wehrend, keimte ein Plan in mir. „Hört mich an ihr Brüder im Kampfe – zwar wissen wir nicht wer uns diese Prüfung auferlegt, denn wir alle wissen, dass das Unveränderbare auch eben dies sein muss, denn sonst gerät das Universum aus seinen Achsen, aber der Teufel hat Methodik. Ein jedes zweite Mal spuckt die Maschine aus was wir uns wünschen. Der Tag und unser edler Stoff neigt sich dem Ende und auch wenn ich nicht verstehen mag, so denke ich wir sollten nun ein letztes Mal den Schalter legen, diesmal jedoch den Dämon mit seinen eigenen Waffen schlagen und ihm statt der biederen Kost, sofort das Edle füttern.“
Da niemand meiner Mitstreiter eine bessere Lösung zur Hand hatte folgten wir dem kühnen Plan. Wie Bogensehnen gespannt wurde mit zittrigen Händen die Maschine ein letztes Mal gefüttert.
HA! Hab ich dich an deinem Gemächt gepackt Luzifer! Der Dämon spie das Werk aus und in Verzückung und Verwirrung gleich gewahrten wir eines perfekten Ergebnisses.
Die Meister schien dies weiter zu verwirren, doch mein Weib und ich wollten diesen Ort der Willkür und des Wahnsinns eiligst verlassen – was wir dann auch taten. Auf Lohn für ihre Mühen verzichteten die Meister, beschämt darüber einen solchen Dämon in ihr Haus gelassen zu haben.

Dies trug sich zu vor nunmehr 4 Jahren – bis heute konnte mir kein Gelehrter in der Kunst der Bits und Bytes eine Antwort auf jenes schrecklich wundersame Ereignis geben. Um der Ehrlichkeit genüge zu tun – an diesem Punkt will ich es auch nicht mehr wissen. Ich habe gesehen wie sich ein pdf verändert hat – vor meinen Augen. Ich wurde Zeuge byte-gewordener Alchemie und werde dieses Mysterium auf ewig mit mir tragen.



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