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OT: Einen Antrag auf Erteilung ...
Beitrag von Julchen, am 24.04.2009
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Warnung: Das hier ist OT, völlig OT und dazu noch lang, sehr lang. Wer das nicht mag, klicke einfach oben rechts auf >>weiter. Danke.
Alle anderen mögen Essen und Trinken beiseite legen und sämtliche Hoffnungen fahren lassen. Für verschmutze Bildschirme, Hirnschäden und beschädigtes Mobiliar übernehme ich keinerlei Verantwortung.
Ok... so _ganz_ OT ist's doch nicht. Immerhin hat mir der Gewerbeschein für meine Webseite diesen Unfug eingebrockt.
Hintergrundinfo:
Leider kam ich im Dezember in die prekäre Lage, ALG2 beantragen zu müssen. Hierbei stellte sich mein Gewerbeschein als akutes Erschwernis heraus. Diesen Schein habe ich mir schon lange vor Eintritt der Arbeitslosigkeit geholt, weil ich einfach treudoof genug bin, meine mageren Nebeneinkünfte (Internetwerbung. Nein! Kein Spam!) von optimistisch geschätzten 800 Mücken pro Jahr(!) mit dem Staat teilen zu wollen. Eigentlich wollte ich damit nur Ärger verhindern, den man durchaus bekommen kann, wenn man im Impressum einer Webseite die Hosen runterlassen muß und irgendwelche mißleidigen nahen oder fernen Bekannten irgendwem stecken, daß man schubkarrenweise Gold und Geld bei Nacht und Nebel über die Grenze schafft.
Prolog:
(Im folgenden gilt I: Ich, AM: Arge-Mitarbeiter)
Ich wandere also mit allen mir als nötig genannten Unterlagen und Tagesverpflegung (Stulle, Wasser, Micky Maus *hüstel* ... das übliche eben) im Marschgepäck zu meiner örtlichen Arge.
Trotz aller böser Erwartungen geht es jedoch recht zügig und schon nach zwei Micky Mäusen, einer halben Wasserflasche und einer noch gar nicht angebrochenen Stulle, gewährt man mir Zutritt zu einem Berater.
Ich trage mein Anliegen vor, breite alle Unterlagen aus und bekomme im Gegenzug alles mögliche an Papieren vor mir aufgetürmt.
Aber schon stoßen wir auf die erste Schwierigkeit:
AM1: "Ein Gewerbeschein? Sie sind selbstständig!"
I: "Das sind doch nur ein paar popelige Nebeneinkünfte, die ich nur zwecks ehrlicher Versteuerung angemeldet hab. Und außerdem kann ich dann auch die Kosten des Webservers vollständig absetzen."
AM1: "Das ist egal. Sie sind selbstständig und müssen ihren Antrag deshalb in Bezirk B stellen. Sie wohnen zwar in A, und normalerweise wären wir hier auch für Sie zuständig, aber Selbstständige werden nur noch in B betreut."
I: "Aber die Einnahhmen übersteigen doch im Monat durchschnittlich nicht einmal die 100, die ich sowieso ohne Gewerbe hinzuverdienen dürfte. Und da sind ja noch nicht einmal die anteiligen Kosten rausgerechnet."
AM1: "Ich werde zur Sicherheit einmal nachfragen, ob es ein Mindesteinkommen gibt."
AM1 ruft also in B an und trägt das Problem vor. Das Gespräch zieht sich hin. Dann stellt AM2 die Frage nach der tatsächlichen Höhe der Einkünfte.
AM1: "800"
AM2 am Tel: *pfrrrrrt* (von AM1 zu meiner Information geräuschvoll wiederholt)
Ja, danach ist mir auch gerade ...
Aber trotzdem ...
AM1 <aufleg>: "Nein, Sie müssen auf jeden Fall nach B. Bei Selbstständigen wird auch das Einkommen ganz anders angerechnet und nicht nach dem Zuflußprinzip wie bei uns. Wenn Sie ihre Provision für 1 Jahr in einer Summe bekommen, würde Ihnen dies hier vollständig abgezogen. Als Selbstständiger wird es über den gesamten Bezugszeitraum verteilt."
Na... das ist ein Argument.
I: "Ok, überredet."
Ich klemme mir also meine Pacheidels wieder unter die Arme und verlasse die heiligen Hallen.
Alles in allem war AM1 sehr freundlich und bemüht (im positiven Sinne). Muß ja auch mal gesagt werden.
Hier beginnt aber nun das Possenspiel 1. Akt:
Allerdings muß ich 2 Tage auf die Fortsetzung warten, denn die ganze Prozedur hat soviel Zeit in Anspruch genommen, daß ich es innerhalb der Öffnungszeiten nicht mehr bis nach B (knappe 10 km entfernt) schaffe, morgen ist eh Mittwoch und einen Termin konnte AM1 weder heute noch sonstwann telefonisch für mich erwirken. Das heißt: Donnerstags nach B zuckeln, wieder anstellen und warten und alle Strophen von vorne aufsagen.
Am besagten Tag reihe ich mich brav in die Schlange vor dem Tresen in B ein.
I: <Ausweis hinleg> "Ich möchte einen Antrag auf ALG2 stellen."
AM3: <Ausweis eintipp> "Moment. PLZ 12345. Das ist nicht hier. Sie müssen nach A!"
I: "In A hat man mich hierhergeschickt, weil ..."
AM3: "Sind Sie über 25?"
Ich bemühe mich, meine Gesichtszüge nicht vollständig entgleisen zu lassen.
Naja ... Damals in der Schule bin ich von allen Lehrern, die mich nicht kannten, ob meines jüngeren Aussehens auch noch kurz vor dem Abitur in den Pausen immer aus dem Gebäude geschmissen worden, und erst mit 25 ließ die Duzerei in den Geschäften allmählich nach. Aber bei aller jugendlicher Frische, die ich tief (ganz tief) in mir immer noch fühle, glaube ich nicht wirklich, daß ich mich dermaßen gut gehalten habe. Immerhin ist das alles 15 Jahre her.
Außerdem... der Typ hält doch meinen Ausweis in Hand. WTF?!
Trotzdem frage ich vorsichtig und doch ein wenig hoffnungsvoll
I: "Soll das ein Kompliment sein?"
AM3: "Wir machen hier nur die unter 25jährigen. Alles andere macht die Filiale B2. Aber Sie müssen nach A!"
I: "A schickt mich hierher wegen meines Gewerbescheins. Es wurde deswegen sogar telefoniert."
AM3: "Ach so, Sie sind selbstständig. Ja, ja, die machen wir hier auch. Warum sagen Sie das nicht gleich?"
Ich spiele mit dem Gedanken, meine Zähne in die Tischplatte des Tresen zu schlagen, nehme jedoch davon Abstand angesichts des Wachmanns, der durch die Anmeldezone schleicht.
Eigentlich bin ich ja froh, daß ich nun doch ...öh... "gemacht" werde.
Ich erhalte ein Nümmerchen und darf mich 2 Stockwerke höher vor die Tür T1 setzen.
Außer mir sitzt dort niemand. Na, das wird diesmal sicherlich schnell gehen. Jedoch es dauert.
Wie immer bin natürlich gut vorbereitet und widme mich 20 Minuten meiner bildenden Literatur, werde dann aber doch langsam, ganz langsam mißtrauisch. Ich schaue mich um. An den anderen 3 Türen, die ich im Gang einsehen kann, herrscht reger Betrieb und nebenan wird nun schon der zweite Wartende hereingerufen.
Zaghaft klopfe ich an "meine" Tür. Keine Antwort. Ich drücke die Klinke herunter .... Zu! Zu!? Zu!!
Selbstzweifel nagen an mir. Habe ich die Nummer wirklich richtig verstanden? Grübelnd begebe ich mich wieder 2 Stockwerke hinab und schildere AM3 demütig das verlorene Gefühl, das sich in mir breit macht.
AM3: "Ach so ja, die Frau AM4 muß ja heute hier im Erdgeschoß aushelfen. Die kann ja gar nicht in T1 sein."
Mein starrer Blick richtet sich auf die Tischplatte. Ob ich ...? Ne, besser nicht.
AM3: "Ja, ja, gehen Sie mal wieder hoch. Ich schicke Frau AM4 gleich zu Ihnen."
Ich stelle im Stillen fest, daß hier in B1 körperliche Betüchtigung anscheinend groß geschrieben wird und erklimme erneut die Treppen. Ein halbes Lustiges Taschenbuch später erscheint auch tatsächlich Frau AM4. Wir tauschen Unterlagen und Formulare aus, ich bekomme einen Abgabetermin genannt und habe die erste Hürde geschafft. Hurra.
Es folgt Possenspiel 2. Akt:
Schon 4 Tage vor dem Abgabetermin (ein Montag, also Donnerstags) habe ich Brillenpässe, Impfbescheinigungen, Freischwimmerzeugnis, Parkausweise, Wäschebons und andere wichtige Dinge beisammen und bereite mich schon in der Bahn seelisch auf meinen nächsten Zusammenstoß mit B1 vor.
Endlich wieder zum Tresen vorgedrungen, werden meine Erwartungen keineswegs enttäuscht.
I: <Ausweis hinleg> "Ich möchte meinen Antrag abgeben. Und ja, ich bin hier richtig, weil ..."
AM5: <Ausweis umdreh> "Sie müssen nach A!"
I: <argh!> "Frau AM4 bearbeitet meinen Antrag wegen..."
AM5: "Achso, sie waren das mit der Selbstständigkeit. Ja, ja, es aber zur Zeit ist niemand da, der sich um Sie kümmern könnte."
Gesichtszüge ... ihr wißt schon..
I: "Wie, niemand da? Sie haben doch geöffnet?"
AM5: "Ja schon, aber Frau AM4 ist die einzige bei uns, die die Selbstständigen bearbeitet und die ist jetzt im Urlaub."
WTF?! Und das wußte die selbst nicht vorher als sie mir den Abgabezeitraum nannte?!
I: "Ja, ich habe aber den spätesten Abgabetermin am Montag. Ist sie denn bis dahin wieder im Hause?"
AM5: "Keine Ahnung."
I: "??!!"
AM5: "Ja, vielleicht doch schon Montag. Kommen Sie dann einfach wieder. Zur Not schicken wir sie dann zu einer Vertretung."
I: "Ist diese Vertretung denn nicht auch heute da? Damit ich mein Zeug nicht unbedingt auf den letzten Schiß loswerden muß?"
AM5: "Nein, nein. Die Vertretung haben wir nur Montags."
Öhm...ja...
I: "Achso... "
Hm, die Tischplatte sieht ja wieder knusprig aus. So richtig zum ... ne... besser nicht.
I: "Ja dann...bis Montag"
Abgang.
Montags, 3. Akt:
Frau AM4 ist im Hause und die Übergabe des Antrags verläuft gemessen an meinen bisherigen Erlebnissen außerordentlich unspektakulär. Geradezu langweilig. Wenn, ja, wenn da nicht noch ein zusätzliches Formular und die allerneuesten Kontoauszüge wären, die ich so schnell wie möglich nachreichen soll.
Diese Sachlage bietet eine willkommene Überleitung zum
Possenspiel 4. und - bisher - letzter Akt:
Ich erreiche den Tresen in B1 frohen Mutes, daß ich es heute schaffen werde, mein Sätzchen zum Ausweis richtig aufzusagen ... und siehe da, es klappt. Außerdem ist's auch überhaupt nicht voll. Nur ein junger Mann belegt eins der Stühlchen im allgemeinen Wartebereich - ein absolut und völlig unwichtiges Detail am Rande.
AM6: "Ach ja, das mit der Selbständigkeit. Ja. Seit gestern sind wir aber nicht mehr für sie zuständig. Die Selbstständigen werden nun auch in B2 betreut."
Wie bitte, was? Gerade habe ich mich bei den Mitarbeitern von B1 so eingeschmeichelt, daß man mich wenigstens nicht mehr sofort vor die Tür setzen möchte ... und nun? Alles umsonst?! Argh!!
I: "Und nun?"
AM6: "Bitte gehen Sie nach B2."
Gefügig trotte ich hinaus und mache mich auf den 10minütigen Fußweg. Ja, für Bewegung ist in B definitiv gesorgt.
Alsbald in B2 am Tresen.
I: <Ausweis hinleg> "Ich möchte einige Unterlagen zu meinem Antrag nachreichen und habe auch noch ein paar Fragen dazu."
AM7: <Ausweis umdreh> "Sie müssen nach A!"
NEIN!!!!!!! Bitte nicht wieder von vorne!!!! Ich will nimmer!!! ARGH!!!!
I: <Erklärbär>
AM7: "Sagen Sie das doch gleich."
Krise! Krise! Wofür geb' ich den sch***+ Ausweis denn jedesmal ab? Herrgottnocheins! Ist es so schwer, die Drecksdaten einfach einzutippen und zu gucken, was der Computer dazu zu sagen hat, wo meine Akte geführt wird? Aber der erste Reflex, die Leute erst einmal schnellstmöglich abzuwimmeln, scheint in B sehr (wirklich sehr) tief verwurzelt zu sein. ARGHDOPPELARGH!
Äußerlich resigniert betrachte ich schweigend den Tresen.
AM7: "Dann gehen Sie mal zu Raum R2 und warten dort."
Ich dackel gottergeben Richtung R2 und, siehe da, es sitzen Leute davor. Ein gutes Zeichen. Keine 5 Minuten später werde ich sogar noch vor allen anderen Wartenden aufgerufen. Zügig, zügig ...
... zu zügig. Vom Insassen der Zelle R2 wird mir verkündet:
AM8: "Ihre Akte ist nicht hier. Wir sind noch gar nicht für sie zuständig."
Jetzt tu ich's! Ich tu's wirklich! Tischkante, wo bist Du? Ach, die schönen Tresen stehen ja nur vorne. Hier im Büro gibt's nur so mickrige dünne Tischchen. Das verspricht keine Befriedigung. Laß'mers.
I: "Und wer [i]ist[/i] zuständig!?"
AM8: "B1 natürlich. Alle Anträge, die noch im letzten Jahr gestellt worden sind, werden auch weiterhin von B1 bis zur Bewilligung bearbeitet."
I: "Und das wissen die nicht selbst?"
AM8: "Offensichtliche nein. Sie können die Unterlagen aber gerne hierlassen."
I: "Können Sie mir dann auch schnell bei meinen Fragen weiterhelfen?"
AM8: "Nein, ich habe ja gar keinen Zugriff auf ihre Akte."
I: "..."
AM8: "Ich kann deshalb nichts anderes tun als die Originale entgegenzunehmen. Die werden dann mit der üblichen Post an B1 zurückgeschickt, denn die sind nach wie vor zuständig."
I: "Keine Kopien?"
AM8:"Kopien machen wir hier nicht. Wird uns viel zu teuer, wenn da jeder ankäme."
Ich schaffe es endlich, meine Kinnlade wieder einzurenken und lehne dankend ab. Originale Kontoauszüge bei dieser Theatertruppe aus der Hand geben? Nein danke, das gedenke ich mir nun wirklich nicht anzutun.
AM8: "Gehen Sie zu B1 zurück und wenn man Sie wieder wegschickt, sollen die hier anrufen."
I: "Ok. Sie übernehmen dann die Beschimpfung von B1?"
AM8: "Ja."
Fein. Dann darf ich ja gottseidank freundlich bleiben...
Aller Möglichkeiten der Fußwegvermeidung beraubt, verabschiede ich mich und kämpfe mich durch den langsam zunehmenden Sturm, der inzwischen Schneeregen vor sich hertreibt, durch die Straßenschluchten zu B1 zurück.
I: <Ausweis hinleg> "Zur Frau AM4, bitte".
AM9: "Ihnen wurde doch eben gesagt, Sie sollen zu ..."
I: "Da war ich. Jetzt bin ich wieder hier und soll Ihnen bestellen, Sie mögen AM8 anrufen, damit er Ihnen sagen kann, daß meine Akte immer noch hier bearbeitet wird."
AM9 zu AM6: "Ruf mal bei Frau AM4 an."
AM6: "Hab ich schon. Die geht nicht ran."
AM9 zu AM10: "Du, lauf mal hoch zu Frau AM4 und sag ihr, sie soll unten anrufen."
Kurze Zeit später erscheint Frau AM4 in Person am Tresen und ihr wird gemeinsam von AM6 und AM9 der Sachverhalt erklärt.
AM6+9: "B2 schickt uns ständig die Selbstständigen zurück."
AM6+9: "Den Herrn X wollten sie auch nicht."
Eine Geste macht Frau AM4 und auch mir deutlich, daß der junge Mann (ja, das unwichtige Detail) gemeint ist, der schon bei meiner ersten Ankunft in B1 im Wartebereich gesessen hat.
NEIN! NEIN! Ist jetzt nicht wahr, oder?! Ich fasse es nicht! Da sitzt schon die ganze Zeit jemand da, mit dem sie dieselbe Nummer abgezogen haben, der ebenso unverrichteter Dinge zurückkam und dann probieren die das Ganze nochmal mit mir? :-X
<AM-Hirnkästen aufklapp und reinruf> Hallo? Jemand zu Hause? McFly? Hallo?! Echo?
Wie [i]HOHL[/i] muß man sein, um so etwas durchzuziehen?!
Wenn ich mir bisher nicht komplett verarscht vorgekommen bin, dann aber definitiv ab genau diesem Punkt!
Früher habe ich ähnlichen Erzählungen von anderen Betroffenen mit einem stillen Lächeln gelauscht und mir meinen Teil gedacht ...aber die Realität ist noch viel, viel schlimmer!
Egal welche Story ihr von Amtsgängern und -gegängelten hören solltet. Glaubt sie! Es kann nur wahr sein, denn _soviel_ Phantasie hat einfach kein Mensch!


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